Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reist nach Neukaledonien, um in dem von schweren Unruhen erschütterten französischen Überseegebiet zu schlichten. Die Unruhen waren vor rund einer Woche ausgebrochen. Auslöser ist eine von der Regierung in Paris geplante Verfassungsreform. Macron soll auf der 1500 Kilometer östlich von Australien gelegenen Inselgruppe «eine Mission installieren», kündigte eine Regierungssprecherin in Paris an.
Ausser 2700 Polizeikräften sei dort inzwischen auch das Militär im Einsatz, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und die Evakuierung von Urlaubern abzusichern. Australien und Neuseeland entsandten Flugzeuge, um gestrandete Bürger aus dem von Gewalt erschütterten Südpazifikgebiet nach Hause zu bringen.
Der zunächst beauftragte Premierminister und die lokalen Behörden konnten die Situation offenbar nicht regeln. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Treibstoff ist nicht mehr gesichert. Patienten können nicht mehr in Krankenhäuser gelangen, um sich behandeln zu lassen, beklagen Spitäler.
Jahrzehntelange Konflikte und Gewalt
Die Kanaka, die indigene Bevölkerung Neukaledoniens, hatten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend das Gefühl, die Kontrolle über ihre eigene Insel zu verlieren. Das führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und den europäischen Kaledoniern. Die gewaltsamen Konflikte endeten mit einem Friedensabkommen.
In diesem Friedensabkommen wurde festgelegt, dass nur diejenigen an einer Abstimmung über die Unabhängigkeit Kaledoniens teilnehmen dürfen, die seit mindestens 25 Jahren auf der Insel leben. Auch ihre Nachkommen dürfen abstimmen. Nun hat Präsident Macron beschlossen, diese Zusicherung aufzulösen. Das wird von den Kanaka als Schwindel und Verrat empfunden.
Frankreich verhängte vorübergehend den Ausnahmezustand in Neukaledonien. Die Situation verbessere sich, bis zur Rückkehr zur Normalität sei aber noch viel zu tun, sagte die französische Sprecherin. Angestrebt werde eine politische Lösung.
Es sei eine Niederlage für Macron, dass er diese Wahlrechtsreform für Neukaledonien nicht ohne grosse Reaktionen durchziehen konnte. Das sagt Rudolf Balmer. Er ist freier Mitarbeiter für SRF in Frankreich. Macron hatte vorgesehen, diese Verfassungsrevision im Juni vor die beiden Parlamentskammern zu bringen. Das sei jetzt sehr fraglich geworden. Denn auch gemässigte Separatisten in Neukaledonien fordern als Vorbedingung für jegliche Gespräche den Rückzug dieser Wahlrechtsreform.
«Für Präsident Macron ist es in der gegenwärtigen Situation mit den Europawahlen doch eine Niederlage und sehr peinlich, dass er persönlich nach Neukaledonien fliegen muss, um dort einen Konflikt beizulegen – einen Konflikt, den er sich selbst zuschulden hat kommen lassen.»