Anfang dieser Woche in der bengalischen Hauptstadt Dhaka: Tausende Anhänger und Anhängerinnen der islamistischen Oppositionspartei Bangladesh Nationalist Party (BNP) fordern faire, freie Wahlen und den Rücktritt von Regierungschefin Sheikh Hasina Wajed. Wenige Tage zuvor kommt bei landesweiten Protesten gegen die Regierung ein Aktivist ums Leben, Hunderte werden nach Angaben von Amnesty International verletzt.
Das ist keine Seltenheit in Bangladesch. Rund sechs Monate vor den geplanten Wahlen nimmt die Nervosität bei Regierung und Opposition merklich zu. Die Lage sei sehr besorgniserregend, sagt der Ökonom Debapriya Bhattacharya, ehemals UNO-Botschafter in Genf.
Angriffe auf Demonstranten und Politiker
Und zwar nicht, weil die Opposition demonstriere, sondern weil die Regierung zunehmend dagegenhalte, stellt der frühere Leiter der Denkfabrik «Center for Policy Dialogue» weiter fest.
Erst letzte Woche wurde der unabhängige Oppositionspolitiker Ashraful Alam auf offener Strasse angegriffen. Ein Dutzend Länder, darunter die Schweiz und die USA, schickten eine gemeinsame Protestnote: Es müsse sichergestellt werden, dass die anstehenden Wahlen frei, fair und friedlich stattfinden könnten.
Erneute Wahlmanipulationen befürchtet
Doch das ist keine Selbstverständlichkeit. Die letzten beiden Wahlen 2014 und 2018 seien alles andere als perfekt gewesen, so der langjährige Politbeobachter: 2014 gab es fast keine Opposition. Und 2018 seien die Wahlurnen mit grosser Wahrscheinlichkeit manipuliert worden. Siegerin war in beiden Fällen die sozialistisch-säkulare Awami-Liga unter Premierministerin Hasina, deren Vater das Land 1971 in die Unabhängigkeit geführt hatte.
Die Opposition befürchte nun, wohl nicht zu Unrecht, dass die Regierung auch die nächsten Wahlen manipulieren wird, so Bhattacharya. Sie fordert daher eine neutrale Wahlkommission.
Wirtschaftsaufschwung gebremst
Die Wahlen im kommenden Januar fänden auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld statt. Laut Bhattacharya wurde der Aufschwung nach der Covid-Pandemie durch die globale Lage, darunter die Folgen des Ukraine-Krieges, unterbrochen.
Auch die hohe Inflation setze der Bevölkerung zu. Die Währungsreserven seien stark geschrumpft, weshalb Bangladesch unter anderem zu wenig Flüssiggas importieren könne, was zu einer Energieknappheit führe. Die aufsteigende Mittelklasse sei aber schon länger unzufrieden, so Bhattacharya: «Die Früchte des Aufschwungs wurden nicht gerecht verteilt, und die weitverbreitete Korruption erschwert vielen den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung und Bildung.»
Hoffnung auf Druck von aussen
Hoffnung macht dem Ökonomen, dass wichtige Handelspartner wie die USA inzwischen Druck aufsetzten, um Menschenrechtsvergehen zu verhindern und faire Wahlen zu fördern, etwa durch Visa-Beschränkungen für einige Regierungsvertreter. «Die Sanktionen wirken anscheinend. Die Regierung hat verstanden, dass sie eine rote Linie überschritten hat.» Ob der externe Druck auch hilft, eine Eskalation vor den Wahlen zu verhindern, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.