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Nach Krawallen: Frankreichs Polizeiarbeit im Fokus
Aus Echo der Zeit vom 03.07.2023. Bild: REUTERS/Yves Herman
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Unruhen in Frankreich Braucht Frankreichs Polizei Nachhilfe in Bürgernähe?

Nach dem mehrtägigen Gewaltausbruch in Frankreich wegen einer tödlichen Verkehrskontrolle bei einem Jugendlichen aus der Banlieue richtet sich der Blick vertieft auf die Polizei. Denn allein im letzten Jahr wurden bei Verkehrskontrollen 13 Autoinsassen getötet. Das martialische Auftreten der Polizei immer mit Blick auf den Worst Case stosse an Grenzen, sagt Kultursoziologin Andrea Kretschmann.

Andrea Kretschmann

Kultursoziologin

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Andrea Kretschmann ist Professorin für Kultursoziologie und Dekanin an der Fakultät Kulturwissenschaften der Leuphana Universität in Lüneburg in Niedersachsen. Darüber hinaus ist sie assoziierte Forscherin am Centre Marc Bloch in Berlin, wo sie unter anderem zur Polizei in Frankreich forscht.

SRF News: Wie wird die Polizei von den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Banlieues wahrgenommen?

Andrea Kretschmann: Die Polizeiarbeit wird in dem Sinn wahrgenommen, dass sie einerseits höchst abwesend bei Notrufen ist, und zwar aus Angst, in der Unterzahl zu sein. Wenn sie dann mit Schutzanzügen in genügender Zahl anrückt, ist es oft zu spät. Anderseits ist die Polizei auf ganz normalen Streifen äusserst präsent und fällt durch autoritäres Auftreten mit Helm, Schutzkleidung und Hartgummiwaffen auf. Dazu gehören umfangreiche Personenkontrollen ohne speziellen Anlass und die Abriegelung ganzer Stadtteile. Hier ist oft von Schikanen und aggressivem Verhalten zu hören.

Ist das Misstrauen gegenüber der Polizei vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund verbreitet?

Die Polizei wird von der Gesellschaft je nach sozialem Standpunkt sehr unterschiedlich betrachtet. Wer in einem Stadtviertel wohnt, wo es der Polizei um den Schutz von Eigentum geht, hat ein anderes Bild als jener, der in seinem Viertel ohne Anlass kontrolliert wird oder nach dem Notruf vergeblich auf Hilfe wartet.

Bei Demonstrationstrainings fällt auf, dass in Frankreich nur der Worst Case trainiert wird.

Wie unterscheidet sich die Ausbildung der Polizei in Frankreich von anderen Ländern in Europa?

Es gibt Unterschiede und Ähnlichkeiten. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Frankreich eine allgemeine Tendenz zu beobachten, dass sehr sicherheitsorientiert und weniger bürgerpolizeilich trainiert wird. Bei Demonstrationstrainings fällt auf, dass nur der Worst Case trainiert wird. Deeskalation wird nicht geübt. Obwohl die Forschung nahelegt, auch das respektvolle Gespräch beziehungsweise die Ansprache gegenüber dem Bürger zu üben.

Hat das auch damit zu tun, dass Frankreich in den letzten Jahren mit schweren Terroranschlägen konfrontiert war?

Es ist eine weltweite Tendenz, stärker vom Worst Case auszugehen. Diese Denkweise kommt vor allem von der Terrorismusbekämpfung. Diese Art der Polizeiausbildung ist allerdings wesentlich älter als die Terroranschläge seit der Jahrtausendwende. Entsprechend scheinen sich solche Logiken nicht nur an Terrorgefahren anzulehnen.

Ein respektvoller, nicht rassistischer und weniger autoritärer Umgang mit der Bevölkerung wäre ein denkbarer Ansatz.

Die politische Rechte fordert mehr Sicherheit, die Linke eine Auflösung und Neugründung der Polizei. Wie kann die Polizei wieder näher ans Volk rücken?

Die Polizei tritt in Frankreich mit enormer Waffenausrüstung auf. Es sind Waffen mit militärischem Charakter. Es gibt Länder wie England, wo Polizisten keine Schusswaffe tragen. Dieses bürgerpolizeiliche Vorgehen funktioniert in dieser Tradition. Ein respektvoller, nicht rassistischer und weniger autoritärer Umgang mit der Bevölkerung wäre ein denkbarer Ansatz. Zugleich sollte das Policing dort stattfinden, wo es nötig ist und nicht zusätzliche soziale Probleme schaffen. Dazu kommt die Frage, ob die Polizei immer das richtige Mittel ist oder ob vielleicht andere staatliche Akteure aus der Sozialarbeit für gewisse Einsätze besser geeignet wären.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 03.07.2023, 18:00 Uhr ; 

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