Nach mehreren Krawallnächten scheint sich die Lage in Frankreich langsam zu beruhigen. Präsident Emmanuel Macron hat einen Staatsbesuch in Deutschland trotzdem verschoben und trifft sich stattdessen mit den Gemeindepräsidentinnen und Präsidenten jener Gemeinden, die in den vergangenen Tagen massiver Gewalt ausgesetzt waren. Zudem berät sich Macron mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern. SRF-Korrespondent Daniel Voll spricht über Macrons Krisenmanagement.
Wie geht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit der aktuellen Krise um?
Es war sicher richtig, dass der Präsident den Staatsbesuch abgesagt hat. In dieser Situation sollte der Kapitän das Schiff nicht verlassen. In der Kommunikation macht er sich gut, denn anders als die rechte Opposition hat er offenbar sofort realisiert, wie explosiv das Video war, das letzten Dienstag nach dem Tod des jungen Autofahrers veröffentlicht wurde.
Die ursprüngliche Behauptung der Polizei, der Polizist habe aus Notwehr geschossen, war nicht mehr plausibel und Macron hat dies sofort erkannt. Er hat umgehend der Familie sein Beileid ausgesprochen. Am nächsten Tag hat er auch die Krawalle verurteilt; es gebe keine Entschuldigung für Gewalt, sagt er. Das musste er tun, als höchster Repräsentant des Staates. Er spricht damit einem grossen Teil der Bevölkerung aus dem Herzen.
Was soll das Treffen mit den Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten bringen?
Er will zeigen, dass er einen Bezug zur Basis hat, indem er diese direkt betroffenen Politiker trifft. Bei ihnen wurden Gemeindehäuser abgebrannt und Läden geplündert. Damit kämpft er auch gegen das Bild, das ihm anhaftet, nämlich, dass er ein abgehobener Politiker sei. Inhaltlich wird bei diesem ersten Treffen wohl nicht sehr viel dabei herauskommen.
Was kann die Politik tun, dass sich die Situation der jungen Menschen in den französischen Vororten verbessert?
Es fehlt nicht an Aktionsplänen und teilweise sind sie auch erfolgreich umgesetzt worden. Man hat beispielsweise sehr viel in den Wohnungsbau investiert. Der grösste Nachholbedarf liegt bei den Dienstleistungen, zum Beispiel im Gesundheitswesen und in den Schulen. Und man müsste dafür sorgen, dass die jungen Menschen aus den Banlieues auch Chancen auf Arbeit sehen. Die grösste Baustelle dürften aber die schlechte Erfahrung der Bevölkerung in den Vororten beim Umgang mit der Polizei sein. Die Polizei braucht nicht nur mehr Mittel – sondern auch eine bessere Ausbildung und mehr Kontrolle. Dies ist aber politisch ein heisses Eisen.
Was passiert mit all den jungen Menschen, die in den letzten Nächten festgenommen wurden?
Bereits gestern haben erste Gerichtsverhandlungen stattgefunden. In Frankreich gibt es eine Art Schnellverfahren, wenn die Beweislage klar scheint und die Angeklagten einverstanden sind. In der Schweiz kennt man dies in dieser Form nicht. Bereits über 100 derartige Prozesse haben bereits stattgefunden. Meistens sind Haftstrafen zwischen einem und vier bis fünf Monaten ausgesprochen worden. Das sind relativ drakonische Strafen. Doch für die schweren Fälle gibt es normale Gerichtsverfahren und diese kommen erst viel später.