Unternehmertum als Chance - Wie Boliviens Frauen durchstarten – mit Schweizer Hilfe
Bolivien ist eines der ärmsten Länder Südamerikas. Gerade junge Frauen finden oft keinen Einstieg in den krankenden Arbeitsmarkt des sozialistischen Landes. Immer mehr Bolivianerinnen machen sich deshalb selbstständig – erfolgreich.
Magali Quintana Rivera schöpft Erdnüsse aus einem grossen Sack. «Meine Eltern sind Erdnussproduzenten. Ich verarbeite die Erdnüsse aus dem Familienbetrieb weiter zu hochwertiger Erdnussbutter – ich fing damit an, weil ich keine Anstellung fand», erzählt die 24-Jährige und schüttet die bereits geschälten und gerösteten Erdnüsse in eine grosse Maschine.
Start-up-Preis gewonnen
«Die Erdnüsse, die ich hier verwende, werden langsam geröstet, mit Holzwolle. Das sorgt für einen intensiven, nussigen Geschmack.» Die Maschine zerkleinert die Erdnüsse, bis sie zu einer geschmeidigen Butter werden.
Als Unternehmerin ist Magali äusserst erfolgreich, hat eben erst einen Start-up-Preis gewonnen, mit fast 7000 Franken Preisgeld. Das ist viel Geld in Bolivien, wo der Durchschnittslohn bei nur etwa 350 Franken im Monat liegt.
«Meine Erdnussbutter ‹Manki› verkaufe ich online auf Instagram oder Tiktok. Das Produkt ist inzwischen auch in verschiedenen bolivianischen Supermärkten erhältlich, in Städten wie Sucre, in La Paz und Cochabamba», sagt Magali stolz.
Schweizer Hilfsorganisation berät junge Unternehmerinnen
In Sucre, Boliviens Hauptstadt, gelegen auf fast 2800 Meter Höhe in den Anden, hat Magali von Unterstützung aus der Schweiz profitiert. Die Schweizer Hilfsorganisation Helvetas berät Junge beim Aufbau eines Unternehmens. «Seit 2019 beraten wir mit unserem Projekt ‹Chala i› in Sucre junge Unternehmer. Viele von ihnen sind Frauen», sagt Jamil Campero Alcazar von Helvetas.
Immer mehr Frauen in Bolivien bleibt nur das Unternehmertum.
Kollegin Andrea Lescano fügt hinzu: «Immer mehr Frauen in Bolivien bleibt nur das Unternehmertum. Das hat mit wirtschaftlicher Notwendigkeit zu tun: In einer Familie hat vielleicht der Mann eine Anstellung und die Frauen schauen zu den Kindern und suchen nach zusätzlichen Einkommensquellen, weil das Geld sonst zum Leben nicht reicht.»
Helvetas ermutigt die Frauen und erklärt ihnen, wie sie bei der Bank einen Kredit beantragen oder die richtige Ausbildung erhalten.
Ein reiches armes Land: Das Paradox der bolivianischen Wirtschaft
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Das sozialistisch regierte Bolivien hat grosse Erdöl-, Erdgas-, Lithium- und Edelmetallvorkommen. Dennoch leben rund 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
Das Exportgeschäft mit den Rohstoffen ist stark anfällig für die Schwankungen auf den weltweiten Rohstoffmärkten, und weil die Rohstoffe meist erst im Ausland weiter verarbeitet werden, gibt es in Bolivien zu wenige legale Jobs. Über 80 Prozent der Bolivianerinnen und Bolivianer arbeiten in der Schattenwirtschaft – in prekären Verhältnissen, mit Dumpinglöhnen, ohne Arbeitsvertrag und ohne Sozialversicherung. Besonders betroffen sind Junge, Frauen und Indigene.
Die weit verbreitete Korruption sorgt zudem dafür, dass nur wenige von Boliviens Rohstoffreichtum profitieren: Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt Bolivien auf Rang 126 von 180 – weit hinter der Schweiz, die auf Rang 7 liegt.
Eine Kochschule schafft Perspektiven
In Sucre bildet die Kochschule «Manq'a» junge Unternehmerinnen aus, wie etwa Soledad: «Ich möchte die bolivianische Küche bekannter machen und eine Restaurantkette eröffnen, die spezialisiert ist auf unsere verschiedenen Chilipfeffersorten», so die 23-Jährige.
Eine Kochschule bildet junge Gastrounternehmer aus
«Unsere Kochschule bietet Jungen im Alter von 16 bis 35 Jahren aus ärmlichen Verhältnissen eine Ausbildung in der Gastronomie», erklärt Schulleiterin Isabel Campos.
Ihre Schule arbeitet mit der Lokalregierung zusammen und mit Hilfsorganisationen wie Helvetas. «Für die Jugendlichen ist die Ausbildung gratis. Mit der Unterstützung, die wir erhalten, bezahlen wir Lehrpersonen und Unternehmensberater für unsere Schülerinnen.»
Das Ende der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Südamerika
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In seiner «Amerikas Strategie 2022-2025» hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schon vor einer Weile kommuniziert, dass die Schweiz bis Ende 2024 ihre bilaterale Entwicklungshilfe in ganz Lateinamerika vollständig einstellt.
Arno Wicki, Vizedirektor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und Leiter der Abteilung «Asien, Lateinamerika und Karibik», sagt dazu: «Das Parlament hat mit der laufenden Strategie der internationalen Zusammenarbeit entschieden, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stärker zu konzentrieren, vor allem auf die Regionen in der näheren Umgebung der Schweiz, wie Europa und Afrika. Dies mit dem Ziel, Not und Armut in der Welt durch nachhaltige Entwicklung wirksamer zu lindern. Ganz im Sinne: Wenn wir einen Unterschied machen wollen, können wir nicht überall tätig sein.»
In Bolivien übergibt die Schweiz derzeit ihre Projekte an andere Entwicklungsagenturen, zum Beispiel aus Schweden.
Doch ob Junge in Bolivien diese Unterstützung in Zukunft weiter erhalten, ist fraglich: Die Schweiz stellt bis Ende 2024 ihre bilaterale Entwicklungszusammenarbeit in ganz Lateinamerika ein.
Boliviens junge Unternehmerinnen
Das bedeutet weniger Geld für Organisationen wie Helvetas, womöglich auch für die Kochschule in Sucre. Für Schulleiterin Isabel Campos ist klar: «Weniger Geld bedeutet weniger Ausbildungsmöglichkeiten für junge Frauen hier» – und damit wieder mehr Arbeitslosigkeit in Bolivien, nach Surinam das zweitärmste Land Südamerikas.
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