Am 6. Januar stürmten rund 800 Anhängerinnen und Anhänger von Präsident Trump das Kapitol in Washington, um dessen Abwahl zu verhindern. Eine Untersuchungskommission im Repräsentantenhaus, der grossen Kammer des US-Parlaments, geht derzeit den Hintergründen dieser Geschehnisse nach. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Gruppe von republikanischen Kongressabgeordneten und Mitarbeitenden im Weissen Haus hinter den Kulissen aktiv daran gearbeitet hat, dass die Wahl von Joe Biden nicht anerkannt wird. SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi mit den Einzelheiten.
SRF News: Die Kommission skizziert eigentlich eine Form eines politischen Coups. Kann man das so sagen?
Isabelle Jacobi: Es zeichnen sich Konturen ab, was sich im Vorfeld des 6. Januars und am Tag selbst genau ereignet hat – welche Strippen von welchen Akteuren gezogen wurden. Die Untersuchungskommission sagt, eine Gruppe von Trump-Loyalisten im Kongress hätte zusammengespannt mit Exponenten aus der Entourage von Donald Trump im Weissen Haus. Sie hätten systematisch ein politisches Manöver geplant, um die Wahl von Biden auszuhebeln. Ein Manöver, das ultimativ scheiterte, weil entscheidende Figuren wie Justizminister William Barr oder Vizepräsident Mike Pence nicht mitgemacht haben. Wenn das alles so stimmt, kann man durchaus vom Versuch eines politischen Coups sprechen.
Was für ein politisches Manöver scheint hier auf?
Es ging Trump darum, die Wahl von Biden für ungültig zu erklären. Das ist auch nicht neu. Es zeichnet sich aber ab, wer genau daran beteiligt war. Zum Beispiel unterstützten ihn Anwälte wie Rudy Giuliani sowie Anwälte im Weissen Haus, Trumps Stabschef Mark Meadows spielte eine grosse Rolle. Dazu kommen sechs Kongressabgeordnete wie Jim Jordan oder Paul Gosar. Sie haben das Justizministerium und Vizepräsident Pence vor dem 6. Januar massiv unter Druck gesetzt.
Unter den genannten Leuten soll eine Powerpoint-Präsentation zirkuliert haben – eine Schritt-für-Schritt-Anweisung sozusagen, wie die angeblich illegitime Wahl von Biden verhindert werden könnte. Das Szenario sah Notrecht und Militärpolizei vor, die in den Bundesstaaten die Wahlurnen behändigen sollte. Das entsprechende Dokument händigte Trumps Stabschef Meadows der Kommission aus. Er sagte aber, er hätte es nur empfangen, aber nicht weiter verwendet.
Diese Woche hat das Repräsentantenhaus den Weg für ein Verfahren gegen Meadows freigemacht. Welche Rolle spielte er genau in dieser Geschichte?
Als Stabschef stand er sicher im Zentrum des Geschehens. Beim Sturm aufs Kapitol landeten alle panischen Nachrichten auf seinem Handy, wonach Trump die Meute stoppen solle. Solche Forderungen kamen von republikanischen Abgeordneten, aber auch aus den Reihen der Trump-Familie. Trump reagierte nicht darauf und wir wissen nicht, welche Rolle Meadows hier wirklich spielte.
Anfänglich hat Meadows mit der Untersuchungskommission kooperiert und über 9000 Dokumente ausgehändigt. Dann weigerte er sich aber, auszusagen.
Wie geht es weiter mit der Untersuchung?
Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Denn die Demokraten werden in einem Jahr wohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Dann ist diese Untersuchung Geschichte.
Es kann gut sein, dass das Justizministerium nun gegen Meadows klagt – das hat es auch schon gegen den Rechtsaktivisten Steve Bannon getan. Solche Verfahren dauern aber und Meadows wie Bannon können weiterhin die Mitarbeit ablehnen – und die Zeit spielt für sie.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.