- Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verstösst die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im Wesentlichen gegen EU-Recht.
- In Deutschland sah das Telekommunikationsgesetz eine solche Datenspeicherung auf Vorrat vor.
- Die deutsche Regelung liegt allerdings seit 2017 auf Eis.
Dürfen deutsche Internet- oder Telekommunikationsanbieter Daten, wie etwa IP-Adressen oder angerufene Telefonnummern, ihrer Kunden für den Zugriff von Behörden speichern? Das geplante Telekommunikationsgesetz von 2015 sah eine solche Vorratsdatenspeicherung in Deutschland eigentlich ursprünglich vor.
Regelung gar nie angewendet
Doch nach einem Rechtsstreit der Bundesnetzagentur mit dem Internetprovider SpaceNet und der deutschen Telekom wurde diese Regelung seit 2017 nicht mehr angewendet. Wenige Tage bevor sie eigentlich in Kraft treten sollte, urteilte das Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Vorratsspeicherung.
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordert.
Dieses Gesetz wurde nun auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprüft und für nicht rechtens erklärt. Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten stehe dem Unionsrecht entgegen, urteilten die Richter.
Die fraglichen Daten ermöglichten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben einer Person – etwa tägliche Gewohnheiten oder das soziale Umfeld. Und damit könnte ein Personenprofil erstellt werden, so die Richter. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere.
Zulässig bei klar definiertem Verdacht
Der EuGH stellte aber auch fest, dass eine Ausnahme bei ernsten Bedrohungen gegen die nationale Sicherheit gelte. Dann sei für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum auch «eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen» vereinbar mit europäischem Recht, so die Richter.
Zur Bekämpfung schwerer Straftaten könnten Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auch damit beauftragt werden, «während eines festgelegten Zeitraums die ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrs- und Standortdaten umgehend zu sichern».
Aufgrund dieses Sicherheitsargumentes sind einige deutsche Politiker für die Datenspeicherung auf Vorrat. Sie sei ein zentrales Instrument im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Kinderpornografie und Terrorismus, argumentieren sie.
Zuletzt sprach sich die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zumindest für die Sicherung von IP-Adressen aus. So soll sexueller Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgt werden können.
Da das Vorratsdatenspeichergesetz nach dem EuGH-Urteil nun keinen Bestand mehr hat, geht der Fall zurück an das deutsche Bundesverwaltungsgericht, welches das deutsche Gesetz vom EU-Gericht überprüfen liess.
Ob die aktuelle Ampel-Regierung jetzt ein neues Gesetz ausarbeitet, ist offen. In Diskussion ist dort offenbar ein «Quick-Freeze»-Gesetz: Richter könnten eine Datenspeicherung bei Gefährdung der Staatssicherheit oder Verdacht auf schwere Verbrechen für einen begrenzten Zeitraum anordnen.
Dem Vernehmen nach könnten sich SPD, Grüne und die FDP auf ein solches Gesetz einigen. Vom Tisch ist aber ohne Zweifel eine generelle Speicherung aller Verbindungsdaten der Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat.