Warum muss das Parlament neu gewählt werden? Das Verfassungsgericht hat die Wahl der Regierung für ungültig erklärt, weil daran ein Abgeordneter teilgenommen hat, der dies nicht hätte tun dürfen. Er war wegen Betrugs verurteilt und Verurteilte dürfen gemäss der kosovarischen Verfassung nicht im Parlament sitzen. Die Wahl Avdullah Hotis zum Premier kam nur dank der Stimme dieses verurteilten Abgeordneten zustande. Hoti erhielt 61 Stimmen im 120-köpfigen Parlament. Jetzt muss das Parlament innerhalb von 40 Tagen neu gewählt werden.
Hätte die Regierung mit einer so knappen Mehrheit überhaupt über längere Zeit stabil regieren können? Nein, diese Regierung war von Anfang an nicht wirklich stabil. Und es war bereits vor dem Urteil des Verfassungsgerichts absehbar, dass es nicht lange dauern würde bis zu Neuwahlen. Das hat damit zu tun, dass Staatspräsident Hashim Thaçi im Sommer zurückgetreten ist, weil er vor dem neuen Kosovo-Sondergerichtshof in Den Haag angeklagt wurde, wegen Kriegsverbrechen und wegen politischer Morde direkt nach dem Krieg. Jetzt feilschen die Parteien im Parlament schon länger darum, wer den neuen Präsidenten stellen darf, und sie können sich nicht einigen. Die nötige Zweidrittelmehrheit kommt nicht zustande.
Wer wird profitieren, wenn das Parlament neu gewählt werden muss? Höchstwahrscheinlich wird Albin Kurti und seine links-nationalistische Vetevendosje-Partei profitieren. Er war es auch, der beim Verfassungsgericht die Klage eingereicht hat. Vor einem Jahr gewann Kurti die Parlamentswahlen und wurde neuer Premier. Unterstützt wurde er von der Partei des jetzigen Premiers Hoti. Dieser verriet Kurti aber kurze Zeit später und bildete unter Mithilfe der USA eine neue Regierung.
Präsident Donald Trump mischte sich ein, weil er unbedingt einen schnellen aussenpolitischen Erfolg haben wollte. Kosovo und Serbien sollten Hals über Kopf irgendein Abkommen unterzeichnen und Kurti stand diesen Plänen im Weg. Dieser politische Schacher hat die Wähler Kurtis erbost und viele Wähler Hotis enttäuscht. Der Verrat Hotis an Kurti wird bei den kommenden Wahlen voraussichtlich Folgen haben. Einen Vorgeschmack gab es bei einer Gemeindewahl vor kurzem. Kurti siegte haushoch in einer bisherigen Hochburg von Hotis Partei.
Wofür steht Albin Kurti? Er steht für einen Neuanfang. Als er vor einem Jahr gewählt wurde, hofften viele Leute in Kosovo, dass er ernsthaft etwas gegen die grassierende Korruption unternehmen wird, dass er daraufhin arbeitet, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte unabhängig werden, endlich gegen Korruption und auch gegen das organisierte Verbrechen vorgehen. Anders als fast alle anderen politischen Kräfte in Kosovo ist Kurti bisher nicht in korrupte Geschäfte verwickelt. Der Verrat Hotis an Kurti war nicht zuletzt ein Versuch korrupter Seilschaften, sich vor einer neuen Politik zu schützen.
Kurti ist zwar ein Nationalist, wie viele Politiker auf dem Balkan. Lange sprach er sich für einen Zusammenschluss von Kosovo und Albanien aus, was gefährlich werden könnte für die Stabilität auf dem Balkan. Aber vor einem Jahr ging er auf Distanz zu solchen Plänen und die meisten europäischen Regierungen schenkten ihm daraufhin das Vertrauen. Falls Kurti bei den kommenden Wahlen erfolgreich sein sollte, bekäme Kosovo eine zweite Chance für einen Neuanfang.