- Im Fall Alexej Nawalny ist ein Urteil gefallen: Der Kremlkritiker ist wegen Verstössen gegen Bewährungsauflagen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
- Der 44-Jährige muss insgesamt für gut 2.5 Jahre ins Gefängnis – wobei offenbar ein Hausarrest angerechnet wird. Damit wird Nawalnys bedingte Strafe von 3.5 Jahren in eine unbedingte Strafe umgewandelt.
- Die Anwälte Nawalnys erklärten umgehend, der Kremlkritiker werde das Urteil anfechten.
Der Oppositionspolitiker habe mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstossen, teilte das Gericht mit. Deshalb wurde eine frühere Bewährungs- nun in eine echte Haftstrafe umgewandelt. «Ich war in Deutschland in Behandlung», hatte Nawalny dazu im Gerichtssaal vor dem Urteil argumentiert.
Wenn ihm tatsächlich ein früherer Hausarrest angerechnet würde, müsste Nawalny für zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager und käme im Oktober 2023 wieder auf freien Fuss.
Nawalny-Anwälte kündigten Berufung an
Nawalny, der das Urteil still und mit rollenden Augen aufnahm, hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich nicht habe in Moskau persönlich melden können. Die Anwälte des russischen Oppositionsführers kündigten Berufung gegen die Entscheidung an.
Während die Richterin im Eiltempo das Urteil sprach, malte Nawalny – mit Blick auf seine Frau – mit dem Finger mehrfach Herzen an die Scheibe in einem Glaskasten, in dem er stand. Als klar war, dass er in ein Straflager soll, brach seine Ehefrau Julia Nawalnaja in Tränen aus. Sie nahm auch ihre schwarze Schutzmaske ab. «Bis bald. Sei nicht traurig. Alles wird gut», konnte er zum Abschied noch sagen. Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden.
«Wladimir, der Vergifter der Unterhosen»
Seine Anhänger riefen zu spontanen Protesten auf. In Moskau sperrten Sicherheitskräfte das Zentrum samt Rotem Platz ab. Auch in St. Petersburg stellten sich die Behörden auf Proteste gegen die Inhaftierung des Oppositionsführers ein.
Nawalny nutzte seinen von Medien als «historisch» bezeichneten emotionalen Auftritt vor Gericht für einen neuen Angriff auf Putin. Der Präsident werde als «Wladimir, der Vergifter der Unterhosen» in die Geschichte eingehen, sagte Nawalny. Er erinnerte daran, dass er im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebte.
Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das «Killerkommando» soll seine Unterhose mit dem Gift benetzt haben. «Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten», sagte Nawalny über Putin.
Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kremls dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Anschlagsvorwürfe zurückgewiesen. Richterin Repnikowa forderte den Oppositionellen auf, vor Gericht keine Politik zu machen.
Am Gerichtsgebäude agierte ein beispielloses Polizeiaufgebot. Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewachten das Moskauer Stadtgericht und sperrten es weiträumig mit Metallgittern ab.
Die internationale Kritik am Vorgehen gegen Nawalny wies Moskau erneut scharf zurück. Russland werde «Belehrungen» der EU nicht hinnehmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Sprecherin des Aussenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte bei Facebook die Anwesenheit mehrerer Diplomaten bei dem umstrittenen Prozess gegen Nawalny in Moskau als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands.