Alexej Nawalny ist nach seiner Landung in Moskau am Sonntagabend umgehend verhaftet worden. Der Putinkritiker hatte die vergangenen Monate in Deutschland verbracht, wo er nach einem Giftanschlag mit dem Nervenkampfstoff Novitschok behandelt wurde. Wie es mit Nawalny in Russland weitergehe, sei völlig offen, sagt SRF-Korrespondent David Nauer.
SRF News: Weiss man in Moskau mehr darüber, weshalb genau Nawalny am Sonntagabend verhaftet wurde?
David Nauer: Es ist das passiert, was die Behörden im Vorfeld angekündigt hatten: Nawalny wurde festgenommen, weil er gegen Bewährungsauflagen verstossen hat. Der Kreml-Kritiker war 2017 in einem politisch motivierten Prozess zu einer langjährigen Hafstrafe verurteilt worden und soll nun 3.5 Jahre ins Gefängnis. Zudem hätte er sich regelmässig bei seinem Bewährungshelfer melden sollen. Das aber hat Nawalny nicht getan.
Die russischen Behörden wollen, dass Nawalny seine bedingte Strafe absitzen muss.
Deshalb verlangen die russischen Behörden jetzt, dass Nawalny die Haft im Gefängnis absitzen muss. Ein Gericht wird darüber am 29. Januar entscheiden. Bis dann bleibt Nawalny vorerst in Haft.
Wie reagieren die Russen auf Nawalnys Rückkehr und seine sofortige Verhaftung?
Sehr unterschiedlich. Bei Nawalnys liberalen Unterstützern ist das Entsetzen gross. Manche schimpften in den sozialen Medien ziemlich unverblümt über den Kreml und Putin. Andere Stimmen sind eher nachdenklich. So schrieb ein Moskauer Künstler etwa, Russland sei zu einem «schrecklichen Land» geworden.
Nawalnys liberale Unterstützer sind entsetzt.
Die kremlnahen Kanäle dagegen reagierten ganz anders: So berichtete das Staatsfernsehen am Sonntagabend überhaupt nicht über Nawalny. Eine regierungsnahe Boulevardzeitung schrieb, so sei halt nun mal die Rechtslage in Russland. Die Behörden hätten nicht anders gekonnt, als Nawalny festzunehmen.
Nawalnys Flug wurde kurz vor der Landung auf einen anderen Moskauer Flughafen umgeleitet, vermutlich, damit ihm seine Anhänger keinen grossen Empfang bereiten konnten. Hat der Kreml Angst vor seinem Kritiker?
Das kann man durchaus so deuten: Ein Flugzeug umzuleiten, Hundertschaften Polizei aufzufahren, den Politiker vom Fleck weg zu verhaften – der Kreml fürchtet offenbar um seine Macht.
Offenbar traut der Kreml seiner eigenen Stärke nicht – und fürchtet Nawalny.
Das steht durchaus in einem gewissen Widerspruch von Putins Image. Er präsentiert sich als beliebter Vater der Nation. Da kann man sich schon fragen, weshalb ein politischer Gegner wie Nawalny mit einem solchen Aufwand bekämpft wird, wenn doch Putin derart sicher im Sattel sitzt. Offenbar traut der Kreml seiner eigenen Stärke nicht – und fürchtet Nawalny.
Gibt es Anhaltspunkte, wie es mit Nawalny weitergeht?
Er selber und seine Anhängerinnen und Anhänger wollen gegen die Verhaftung vorgehen. Sie sagen, diese sei widerrechtlich erfolgt. Doch der Staat meint es diesmal offenbar ernst – und Nawalny muss diesmal vielleicht tatsächlich für längere Zeit hinter Gitter bleiben.
Nawalnys politisches Leben war stets von Überraschungen geprägt – vielleicht auch diesmal.
Man darf nicht vergessen: Mutmasslich standen hinter dem Mordversuch mit Gift an Nawalny staatliche Strukturen, Geheimdienstler. Da ist es schwer vorstellbar, dass dieser Staat Nawalny einfach frei herumlaufen lässt. Allerdings war Nawalnys politisches Leben bislang immer wieder von Überraschungen geprägt. Vielleicht erwartet ihn auch diesmal eine.
Das Gespräch führte Roger Aebli.