Seine Ankündigung heute Sonntag nach Russland zurückkehren zu wollen, kam kurzfristig Mitte dieser Woche. Doch, dass der Tag für seine Rückkehr einst kommen würde, stellte Alexej Nawalny nie infrage. In seiner Videobotschaft begründet Russlands bekanntester Oppositioneller Nawalny seine Rückkehr unter anderem auch mit den Worten: «Nach Deutschland zu reisen, habe ich mir nicht ausgewählt. Es ist ein tolles Land! Ich bin hier aber nicht aus freiem Willen, sondern weil man mich versucht hat zu töten.»
Auf den ersten Blick scheint es schwer nachvollziehbar, weswegen Nawalny nach Russland zurückkehrt, gerade weil der Staat ihn nachweislich versuchte mit einem Nervenkampfstoff zu töten. Seine Unterstützer reagieren zwar mehrheitlich mit Jubel auf die Ankündigung der Rückkehr, doch es mischte sich auch Angst in die Kommentare unter seiner Videobotschaft und die Frage weshalb er zurückkommen wolle.
Kein Geschenk für seinen Gegner
Ein Blick zurück auf Alexej Nawalnys politische Laufbahn zeigt deutlich, dass es ein Bruch mit seinen Prinzipien wäre, würde er im Exil in Deutschland bleiben. In einem Interview mit dem liberalen TV-Kanal «Doschd» sagte er bereits vor acht Jahren, dass er nicht beabsichtige aus Russland auszureisen, obwohl der Staat damals bereits gegen ihn ein umstrittenes Strafverfahren vor Gericht einleitete. «Eines Tages werden gegen Putin und sein Umfeld Strafverfahren eingeleitet. Irgendwann werden wir siegen und dann werden wir sie ins Gefängnis bringen.»
Dass der Staat im vergangenen Sommer so weit ging und ihn versuchte mit einem verbotenen Nervenkampfstoff zu töten, scheint an Nawalnys Position nichts verändert zu haben. Der Schluss liegt nahe, dass es für ihn unmöglich scheint, an dieser Überzeugung zu zweifeln. Seinem grössten politischen Gegner Wladimir Putin würde Alexej Nawalny unter keinen Umständen das Geschenk machen, sich im Ausland aufzuhalten. Ein Leben in Deutschland würde Nawalny für den Kreml zwar nicht aus der Welt schaffen, aber immerhin in weite Ferne.
Sein Wort gehalten
Wiederholt wurde Nawalny in der Vergangenheit für abschätzige Äusserungen zu Migranten aus Zentralasien kritisiert, oder seine Haltung zur Zukunft der Krimhalbinsel, deren Rückgabe an die Ukraine er ausgeschlossen hat. Seine Reden in der ersten Hälfte seiner politischen Laufbahn waren deutlich aggressiver als seine heutigen Auftritte und stellten ihn in ein Licht rechts der Mitte. Doch die politische Rechte ist keine Basis, die Nawalny grosse Unterstützung bringt in Russland. Diese wurde von Wladimir Putin nach 2012 zuerst gespalten und dann fast vollständig einverleibt.
Man mag Nawalny zu Recht Populismus vorwerfen. Doch im Unterschied zu Wladimir Putin hat Nawalny keine Glaubwürdigkeit verspielt, sondern ist bei seinem Wort geblieben. Dass Nawalny sich nicht von seiner Rückkehr abbringen lässt, ist Zeichen seines Durchhaltewillens. Ein Segen und ein Fluch zugleich.