- Ein russisches Gericht hat den Kremlgegner Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland verhaftet und in einem Eilprozess zu 30 Tagen Haft verurteilt.
- Nawalny werden Verstösse gegen Bewährungsauflagen nach einem früheren Strafprozess vorgeworfen. Dafür drohen ihm dreieinhalb Jahre Gefängnis.
- Der Oppositionsführer rief nach dem Urteil zu Protesten auf.
Nach seiner Landung in Moskau am Sonntag war Alexej Nawalny verhaftet worden. Zunächste fehlte von ihm jede Spur. Am Montag fand er sich plötzlich vor einem Gericht in der Polizeistation in Chimki im Norden Moskaus wieder, wo ihm ein Eilprozess gemacht wurde.
Die Anwälte Nawalnys hatten ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann prompt eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können.
In Russland war Nawalny zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Er soll laut der russischen Justiz während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstossen haben. Die Behörden wollen die Bewährungsstrafe nachträglich in eine Haftstrafe umwandeln. Ihm drohen nun dreieinhalb Jahre Gefängnis.
Aufruf zu Protesten
Nach dem Urteil hat Nawalny offen zu Protesten aufgerufen: «Habt keine Angst, geht auf die Strasse», sagte er noch im Verhandlungssaal. Seine Sprecherin Kira Jarmysch veröffentlichte auf Twitter ein Video mit dem Aufruf. Darin warf Nawalny der russischen Regierung vor, keine Beziehungen mehr zur Rechtsstaatlichkeit zu haben.
Protestaufrufe dieser Art werden in Russland immer wieder hart bestraft. Demonstrationen sind nur mit Genehmigung möglich und werden wegen der Corona-Pandemie seit langem nicht mehr bewilligt.
Am Sonntag hatte Nawalny nach fünf Monaten Deutschland verlassen. Er hatte sich dort von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholt. Das Attentat war am 20. August verübt worden.
Im Internet wurden am Sonntag Videos und Fotos verbreitet, die zeigen, wie Nawalny am Flughafen in Moskau bei der Passkontrolle zuerst mit Sicherheitskräften diskutiert und dann mit ihnen mitgehen musste.
Kurz vor der Landung hatten die russischen Behörden den Flug mit dem Putin-Kritiker überraschend umgeleitet. Sie liessen die Maschine aus Berlin auf dem Hauptstadt-Flughafen Scheremetjewo landen.
Das Flugzeug hätte auf dem Flughafen Moskau Wnukowo ankommen sollen. Dort hatten sich hunderte Unterstützer des Oppositionspolitikers versammelt hatten. Zahlreiche Menschen wurden in Wnukowo festgenommen, unter anderem auch Nawalnys engste Mitarbeiterin, die Juristin Ljubow Sobol.
Politischer Kampf gegen Putin
Nawalny selbst sagte noch im Flugzeug, dass er sich vor nichts fürchte. «Was soll mir Schlimmes in Russland passieren?», meinte er. Nawalny macht Präsident Wladimir Putin und den russischen Inlandsgeheimdienst für den Mordanschlag verantwortlich. Putin weist das zurück. Ungeachtet der Gefahr für sein Leben erklärte Nawalny mehrfach, dass sein Platz in Russland sei und er dort seinen Kampf gegen das «System Putin» fortsetzen wolle.
Für SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky macht das Vorgehen der russischen Justiz den Eindruck, dass es dem Kreml gar nicht schnell genug gehen kann, Nawalny aus der Öffentlichkeit zu entfernen und eine Machtdemonstration zu zeigen.