Darum geht es: Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» veröffentlichte am Montag acht Namen von mutmasslichen Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienstes FSB. Diese sollen den Giftanschlag auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny im August verübt haben. Das Magazin stützt sich nach eigenen Angaben auf gemeinsame Recherchen mit der Investigativplattform «Bellingcat», «The Insider» und dem US-Nachrichtensender CNN. Nawalny verbreitete ebenfalls die Berichte: «Ich weiss, wer mich töten wollte», sagte er und veröffentlichte zudem Fotos von acht Männern.
Jahrelange Beschattung von Nawalny: Die mutmasslichen Beteiligten seien nach Auswertung von Mobilfunk-Verbindungen, GPS- und Standortdaten von mehr als einem Dutzend FSB-Agenten sowie Analysen zahlreicher Passagierlisten russischer Linienflüge identifiziert worden, schreibt der «Spiegel». Dadurch lasse sich auch nachvollziehen, dass Nawalny bereits seit 2017 im Visier dieser Männer gestanden haben soll.
Wenn diese Informationen alle stimmen, dann kann man nur zum Schluss kommen, dass es der russische Geheimdienst war, der Nawalny vergiftet hat.
Die Agenten seien immer wieder zu Terminen des Oppositionellen gereist – und waren auch in seiner Nähe, als er in Sibirien vergiftet wurde. Die Agenten sollen zum Teil Experten sein für chemische Kampfstoffe, oder sie standen in engem Kontakt mit Instituten, die rund um chemische Kampfstoffe forschen. «Wenn diese Informationen alle stimmen, dann kann man nur zum Schluss kommen, dass es der russische Geheimdienst war, der Nawalny vergiftet hat», sagt SRF-Korrespondent David Nauer.
Recherche ist glaubwürdig: Die Journalistinnen und Journalisten haben Daten von russischen Behörden bekommen. Wie, ist unklar. Klar ist: Es gibt im russischen Internet einen Schwarzmarkt für jegliche Art von Daten – Mobilfunkdaten, Autonummern, Adressen, Passdaten. «Oft sind es korrupte Beamten, welche solche Informationen verkaufen», sagt Nauer. «Im Detail kann ich die Informationen des Journalistennetzwerkes nicht überprüfen. Aber die Angaben dazu, wie sie zu den Infos gekommen sind, tönen plausibel.»
Moskau wollte noch nicht ermitteln: Kremlchef Wladimir Putin hatte erst vergangene Woche gesagt, er sehe noch keine Voraussetzungen für Ermittlungen in Russland. Moskau wolle erst ermitteln, wenn es Beweise für ein Verbrechen gebe. Bislang seien sie aber nicht aus dem Ausland vorgelegt worden, meinte Putin. «Auch wenn eine Person fast gestorben ist, heisst das nicht, dass man in jeden Fall ein Strafverfahren eröffnen muss.»
«Stümperhaftes Vorgehen» der Agenten: Russlands Geheimdienst FSB musste annehmen, dass es möglich ist, seine Taten zu verfolgen. Das Vorgehen der Agenten wirke stümperhaft, so Nauer. «Man kann nur spekulieren: Entweder sind die Leute einfach inkompetent, oder sie sind nicht fit genug, wenn es um digitale Technologien geht, also eher so Old-School-Spione. Kann auch sein, dass sie dachten, es sei egal, wenn sie erwischt würden – die Antwort bleibt offen.»