Auf den ersten Blick waren die beiden ein perfektes Paar – sympathisch und erfolgreich. Beide studierten, auf Fotos sieht man sie lachen. Doch der Schein trog.
Nach einem Streit entführte Filippo Turetta seine Freundin Giulia Cecchettin, stach mit einem Messer über 70 Mal auf sie ein und verscharrte ihre Leiche in einem abgelegenen Waldstück. Auf seiner Flucht wurde er schliesslich in Deutschland verhaftet.
Mord wühlte Italien auf
Beim Thema Femizid gibt es in Italien eine Zeit vor dem Mord an Giulia Cecchettin und eine Zeit danach. Dass diese Tat Italiens Gesellschaft aufwühlte und veränderte, hat viel mit dem Vater und mit der Schwester von Giulia Cecchettin zu tun.
Beide traten kurz nach der Bluttat gefasst und mutig an die Öffentlichkeit. Sie liessen es nicht zu, dass man Giulia, das Opfer, vergass, ihr gar eine Mitschuld zuschob oder die Debatte einseitig auf den geständigen Täter lenkte.
Der Vater und die Schwester von Giulia forderten aber auch nicht eine möglichst drakonische Strafe, sondern eine gerechte. Und sie sagten immer wieder, dass so etwas nie wieder passieren solle.
Die Opfer stehen im Zentrum
Seither wird in der italienischen Öffentlichkeit intensiv über Prävention und Nottelefone diskutiert, es gab einen Aufruf, Gewalt gegen Frauen nicht zu verharmlosen. Die Beratungsstellen, an die sich Frauen in Gefahr wenden können, erhielten so viele Anrufe wie nie zuvor.
Derweil las und hörte man nur wenig vom Täter, seinen Motiven und seiner Haft. Der Fokus war ein erstes Mal überhaupt fast durchwegs auf das Opfer und die Prävention gerichtet.
Politik versucht, den Mord zu instrumentalisieren
Für viele Monate nach Giulia Cecchettins Tod war die italienische Öffentlichkeit weitgehend einer Meinung. Das kommt selten vor. Doch jetzt zeigen sich erste Risse: Bildungsminister Giuseppe Valditara von der rechten Lega sagte zum Beispiel, dass Gewalt an Frauen auch mit der illegalen Immigration zusammenhänge. Eine Aussage, die Premierministerin Meloni später stützte.
Daraufhin sagte Giulias Vater, gewisse Aussagen müsse man mit Zahlen belegen. Und er erinnerte daran, dass seine Tochter nicht von einem Asylbewerber, sondern von einem weissen Mann aus dem gleichen Dorf ermordet wurde.
Lebenslänglich für den Mörder
Jetzt, rund ein Jahr nach der Tat, wurde der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch was heisst das? Der Mann ist heute 22 Jahre alt. Kommt er tatsächlich nie mehr frei? Oder kommt er ab 20 Jahren Haft bei guter Führung auf freien Fuss – was in Italien trotz einer lebenslänglichen Strafe möglich ist?
Giulia und der Mord an ihr werden Italien weiter beschäftigen.