Ab heute sei Jerusalem keine geteilte Stadt mehr, sagte Bürgermeister Nir Barkat am Sonntag an einer Medienkonferenz. Wie schön, wenn das zutreffen würde. Das wünschen sich wohl alle Menschen in seiner Stadt. Denn viele leben gar nicht so getrennt, wie man meinen könnte.
Der Friede in der heiligen Stadt ist fragil
Es gibt jüdisch-palästinensische Freundschaften. Und wenn die palästinensischen Ladenbesitzer jeweils am Jerusalem-Tag von jugendlichen Siedlern bedrängt werden, eilen ihnen jüdische Geschäftsbesitzer zu Hilfe. Oder schliessen aus Solidarität mit ihnen ihre Geschäfte gleich mit. Es gibt Frieden in der Heiligen Stadt, und der Bürgermeister hat Recht, wenn er sagt, Jerusalem sei eine der friedlichsten Städte der Welt. Nur: dieser Frieden ist fragil, sehr fragil. Und ein symbolischer Akt hat hier immer Sprengkraft.
Ein Traum wird erfüllt, der andere platzt
Jerusalem als ihre Hauptstadt: davon haben viele Israelis immer geträumt. Jerusalem als ihre Hauptstadt: davon träumen auch die Palästinenser.
Nun hat US-Präsident Donald Trump den einen ihren Traum erfüllt. Er anerkennt Jerusalem als die Hauptstadt Israels an. Und zerstört damit den Traum der Palästinenser, die von einem Palästina mit Jerusalem als Hauptstadt träumen. Nur: für die Palästinenser ist die Verschiebung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem mehr als der geplatzte Traum eines eigenen Staates.
Symbolpolitik macht Sackgasse deutlich
Der Bürgermeister Jerusalems hat der arabischen Bevölkerung Israels am Sonntag grosse Investitionen in Bildung und Infrastruktur versprochen. Der israelische Staat schaue besser zu seinen Leuten als die Führung in Gaza und dem Westjordanland, argumentiert er. Und damit hat er Recht.
Auch wenn man über die Gründe für diesen Unterschied natürlich streiten könnte, trifft er zudem einen wunden Punkt: Die palästinensische Führung bietet ihrer Bevölkerung keine Zukunftsperspektive. Ausser Aufrufen zu Protesten haben sie keine Antwort auf Trumps symbolischen Akt.
Darin liegt die eigentliche Sprengkraft des symbolischen Akts der Botschaftsverschiebung: Sie führt den Palästinensern vor Augen, dass sie in der Sackgasse stecken. Kaum jemand hilft ihnen noch. Sie müssen einen neuen Weg suchen. Nur Israel die Schuld für ihre missliche Lage zu geben, wird sie da nicht herausholen. Aber einen neuen Weg sehen sie nicht. Ihre Führung ist gespalten und visionslos. Sie wird die Bitterkeit ihrer Bevölkerung über diese Tage nicht lindern, sondern schüren.