Ein Tweet erhitzt in Washington seit Tagen die Gemüter. US-Präsident Donald Trump verlangt, dass das Justizministerium untersucht, ob das FBI oder das Ministerium selbst sein Wahlkampfteam «aus politischen Gründen infiltriert oder überwacht» habe.
Schnell war bei Trumps Anhängern von einem neuen «Watergate» die Rede. Die Demokraten hingegen wittern eine Verschwörungstheorie. Mit dem Schritt wolle der Präsident die Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller zu mutmasslichen russischen Einmischungen in den US-Wahlkampf und einer möglichen Verwicklung des Trump-Teams untergraben. USA-Experte Josef Braml klärt auf.
SRF News: Die Untersuchungen von Sonderermittler Mueller gehen in die entscheidende Phase. Jetzt bläst der US-Präsident zur Gegenoffensive. Die «New York Times» schreibt von einer neuen Strategie des Trump-Lagers. Zu Recht?
Josef Braml: So neu ist diese Strategie nicht. US-Präsident Donald Trump spricht ja schon seit Längerem vom «Deep State» und meint damit den Geheimdienst, der ein mächtiger Staat im Staate sei. Dieser wolle ihm als Volkstribun das Handwerk legen. Sollte Trump mit Untersuchungen oder gar einem Amtsenthebungsverfahren bedrängt werden, würde er wohl nicht zögern, seine Anhänger auf die Barrikaden zu schicken. Schon jetzt droht er unverhohlen damit, Millionen mobilisieren zu können.
Trump vergleicht das Vorgehen des FBI mit dem Watergate-Skandal. Kann man das vergleichen?
Angriff ist für Trump die beste Verteidigung. Er steht innenpolitisch wegen der Russland-Ermittlungen unter grossem Druck. Da schadet es ihm nicht, markig aufzutreten. Er versucht schon seit Längerem, die Ermittlungen gegen ihn zu diskreditieren. Vielleicht will er auch hier die Realität verdrehen und sich als Opfer einer Intrige darstellen.
Gibt es denn Beweise für den Vorwurf von Trump?
Für die Anhänger Trumps reicht der Vorwurf ihres Volkstribuns.
Wie genau funktioniert Trumps Ablenkungsmanöver?
Trump hat den etablierten Medien den Krieg erklärt und sie als Volksverräter stigmatisiert. Jeder, der nicht positiv über ihn und sein Handeln berichtet, wird als «Fake News» verachtet. Er ist davon überzeugt, dass er seinen Anhängern vor allem auch über die sozialen Medien seine Sicht der Dinge, seine Realität, vermitteln kann. Aber auch die vermeintlich rationalen Intellektuellen und die «Wachhunde der Demokratie» – wie sich die Medien in den USA selbst bezeichnen – lassen sich von ihm immer wieder hinters Licht führen, wenn sie jedem Twitter-Stöckchen hinter herspringen, das er von sich wirft.
Angenommen, die Russland-Kontakte der Administration Trump können nachgewiesen werden. Was passiert dann mit US-Präsident Trump?
Es ginge dann wieder um die zwei berühmten Watergate-Fragen: «What did the President know and when did he know it»? Diese Fragen werden jedoch nicht juristisch, sondern politisch beantwortet. Es bedarf einer politischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus, um ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten und dann einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat, um den Präsidenten seines Amtes zu entheben. Auch deshalb sind die Kongresswahlen am 6. November für ihn sehr wichtig.
Womit rechnen Sie?
Legt man historische Analysen zugrunde, so büsst die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen in der Regel an Wählerstimmen ein – freilich tendenziell umso weniger, je höher die Zustimmungsrate für den Präsidenten ist. Wenn man Trumps niedriges «Approval Rating» bedenkt, könnte es für ihn eng werden.
Aber eine nationale Krise, eine äussere Bedrohung, könnte dafür sorgen, dass sich die Amerikanerinnen und Amerikaner in einer patriotischen Sammlungsbewegung auch bei Wahlen wieder hinter ihrem Präsidenten und Oberbefehlshaber scharen. Auch aus diesem Grund rechne ich damit, dass die USA nach der Aufkündigung des Nukleardeals mit dem Iran weitere Konsequenzen folgen lassen. Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger in Europa sollten sich darauf einstellen, dass die USA Präventivschläge gegen den Iran durchführen werden.
Das Gespräch führte Benedikt Widmer.