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Armut in den USA Aktivistin: «Die Menschen arbeiten und haben trotzdem Hunger»

Bei den US-Präsidentschaftswahlen geht es auch darum, wem die Menschen eine bessere Wirtschaftspolitik zutrauen. Harris und Trump versprechen beide, die Lebenshaltungskosten zu senken. Was es heisst, in Armut zu leben, und was sie von der Regierung fordert, sagt Aktivistin Amy Jo Hutchison im Interview.

Amy Jo Hutchison

Aktivistin

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Amy Jo Hutchison kämpft als Aktivistin für die Rechte der «Working Poor». Einst Demokratin, ist sie heute parteilos.

SRF: Amy Jo Hutchison, in Ihrer Rede vor dem US-Kongressausschuss forderten Sie, dass die Armutsrichtlinien bezüglich Existenzminimum angepasst werden. Was ist seither geschehen?

Amy Jo Hutchison: Nichts! Ich habe zwei Jobs und einen Hochschulabschluss, aber es reicht nicht. Die staatlichen Armutsrichtlinien sagen, ich sei nicht arm, aber ich habe ein Glas voll Kleingeld eingelöst, damit meine Tochter an einem Bandwettbewerb teilnehmen konnte. 46 Millionen Amerikaner leben in Armut und geben dennoch ihr Bestes. Von unserer Regierung können wir nichts Geringeres akzeptieren.

Jeder Senator, jede Senatorin erhält jährlich 40'000 Dollar für Büromöbel. Das haben Sie hart kritisiert. 

Ja! Das sind 360 Dollar mehr als die Armutsgrenze einer siebenköpfigen Familie. Die Senatoren sollten sich schämen. Alle sollten sich schämen, die nicht mit Empörung an den Fenstern des Regierungsgebäudes rütteln, weil unsere Regierung denkt, dass ihre Büromöbel Tausende Dollar pro Jahr wert sind, Familien und Kinder jedoch nicht.

46 Millionen Amerikaner und Amerikanerinnen leben im Armut. Wie kann das sein im reichsten Land der Welt?

In Amerika gibt es die Überzeugung, dass arme Menschen selber schuld sind. Es ist der Glaube an die Leistungsgesellschaft: Wenn man hart genug arbeitet, keine falschen Entscheidungen trifft, schafft man es. Ich höre immer, dass ich ein besseres Budget machen soll. Aber wenn mehr Geld rausgeht als reinkommt, spielt das keine Rolle.

Ein grosses Thema ist die Krankenversicherung. Sie hatten lange keine.

Fast zehn Jahre lang war ich nicht krankenversichert. Für den Zahnarzt reichte das Geld nicht. Ich ass Ibuprofen und Nelken als natürliches Heilmittel. Das geht vielen so. Man tut, was man tun muss.

Die Menschen arbeiten und haben trotzdem Hunger. Alles wird teurer, aber die Löhne werden nicht angepasst.

Sie kämpfen für bezahlbare Kinderbetreuung und einen höheren Mindestlohn. Bis heute erfolglos.

Sie wollen wohl das Geld nicht aufbringen dafür, es ist ein Mangel an staatlichen Mitteln. Meine Bekannten sind Working Poor oder unterer Mittelstand. Es wird uns gesagt, dass 10.5 Dollar pro Stunde, also das gesetzliche Minimum, eine Menge Geld seien. Doch auch mit 15 Dollar pro Stunde ist es schwierig, Rechnungen, Miete und Lebensmittel zu bezahlen. Die Menschen arbeiten und haben trotzdem Hunger. Alles wird teurer, aber die Löhne werden nicht angepasst.

Frau steht vor Fleischtheke in Supermarkt.
Legende: Einkommensschwächere Personen haben aufgrund der höheren Preise Schwierigkeiten, sich Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu leisten. (Symbolbild) Keystone/ALLISON DINNER

West Virgina ist der drittärmste Bundesstaat. 100'000 Kinder leben unter der Armutsgrenze. Wie sind Sie in die Armut gerutscht?

Als ich Kinder bekam, begann ich mit Armut zu kämpfen. Ich wollte keine Sozialleistungen, keine Lebensmittelmarken. Mein Stolz war mir im Weg. Ich hatte immer zwei oder drei Jobs, wie schon meine Mutter. Ich hielt das für normal.

Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Landes?

Ich habe Angst. Ich bin 52 Jahre alt, aber meine Töchter fangen erst an. Neulich dachte ich, wir sollten uns um die Beschaffung von Pässen kümmern, falls wir weg müssen. Es wird über den nächsten Bürgerkrieg geredet, falls Trump nicht gewählt wird. Am 6. Januar 2021 haben wir einen Vorgeschmack auf das bekommen, was möglich ist.

Das Gespräch führte Barbara Lüthi.

US-Wahlen 2024

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Legende: SRF

Donald Trump kehrt als 47. Präsident ins Weisse Haus zurück. Alle News und Hintergründe dazu finden Sie hier: US-Wahlen 2024 .

SRF Dok, 31.10.2024, 20:10 Uhr ; 

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