Im Kiewer Jazz Club 32 herrscht eine entspannte Atmosphäre. Eine Band spielt auf, die Besucherinnen und Besucher wippen mit den Füssen.
Draussen an der Bar machen sich Michailo und Olga aber durchaus Gedanken – auch über die bevorstehenden US-Wahlen. «Diese Wahl kann das Schicksal der Ukraine entscheiden», sagt Olga.
Deswegen wird die Unterstützung weitergehen.
Vor allem ein möglicher Wahlsieg von Donald Trump macht dem Ehepaar Sorgen. Olga begründet das so: «Ein Präsident Trump hätte katastrophale Folgen. Er will, dass die USA die Ukraine nicht mehr unterstützen.»
Tatsächlich hat Trump gedroht, die Waffenhilfe für die Ukraine einzustellen. Und er äusserte sich abfällig über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. «Ich denke, Selenski ist der grösste Verkäufer der Geschichte. Jedes Mal, wenn er hierherkommt, verlässt er das Land wieder mit 60 Milliarden Dollar in der Tasche», sagte der Republikaner im Wahlkampf.
Trump entschlussfreudiger
Die ukrainische Regierung reagiert – mindestens offiziell – gelassen. «Es ist eines, wenn sich ein Politiker in einem harten Wahlkampf befindet. Es ist aber etwas ganz anders, wenn jemand Präsident der Vereinigten Staaten ist – da hat er viel mehr Verantwortung», sagt Michailo Podoljak, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Interview mit SRF.
Podoljak ist überzeugt: Sowohl Trumps Republikaner als auch die Demokraten von Kamala Harris verstehen, wie wichtig die Ukraine ist, wenn die Amerikaner Supermacht bleiben wollen. Verliert die Ukraine den Krieg, verlieren die USA weltweit an Ansehen. «Deswegen wird die Unterstützung weitergehen», so Podoljak.
Kamala Harris hat zwar zugesagt, der Ukraine weiter beizustehen. Allerdings: Auch wenn die Demokratin die Wahl gewinnen sollte, erwartet man in Kiew keine Wunder.
Putins «Njet» – und alles wird gut
Amerikanistik-Studenten der Kiewer Schwetschenko-Universität jedenfalls sind skeptisch. «Harris sagt zwar, sie würde die Ukraine unterstützen, aber es fehlt ihr an konkreten Plänen, wie wir den Krieg beenden können», sagt Alexander. Der junge Mann glaubt zudem, dass Trump entschlussfreudiger ist als Harris – und dass das der Ukraine helfen könnte.
Ein ukrainisches Wunschszenario, dass man in Kiew immer wieder hört: Trump ruft Putin an, sagt dem, er soll doch bitte die Kampfhandlungen einstellen. Putin sagt Njet, was den impulsiven Trump verärgert, worauf er die Ukraine mit Waffen geradezu überschüttet.
Realistisch tönt das nicht. Allerdings fürchten viele in der Ukraine auch, dass Harris bei den Waffenlieferungen noch zögerlicher wäre als der bisherige US-Präsident Joe Biden. Dieser hat der Ukraine zwar genug geliefert, damit sie den Krieg nicht verliert – aber nicht genug, damit sie gewinnt.
In unserem Chat mit Kollegen haben wir eine Abstimmung. Im Moment sind wir da bei 50 zu 50.
Der Kiewer Amerikanistik-Student Artem jedenfalls berichtet, dass Trump und Harris in seinem Umfeld etwa gleich populär sind. «In unserem Chat mit Kollegen haben wir eine Abstimmung, wer welchen Kandidaten bevorzugt. Im Moment sind wir da bei 50 zu 50.»
Harris oder Trump? Unsere Recherche zeigt: In der Ukraine sind die Meinungen nicht so eindeutig, wie man vermuten könnte. Sicher aber ist: Die Wahlen in den USA können darüber entscheiden, wer diesen Krieg gewinnt: Russland oder die Ukraine.