Washington hat der Ukraine die Erlaubnis erteilt, US-Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Dies gelte ausschliesslich für Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Grossstadt Charkiw, sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington. Über die möglichen Folgen dieser Entwicklung weiss Judith Huber mehr. Sie ist bei Radio SRF für die Ukraine-Berichterstattung zuständig.
Was bedeutet das grüne Licht aus Washington?
Washington anerkennt die Realitäten vor Ort: Die Ukraine kann sich nicht wirksam verteidigen, wenn sie die Stellungen der Russen, von denen aus sie angreifen, nicht attackieren kann. Das ist vor allem bei der Verteidigung der Grossstadt Charkiw wichtig, die von russischem Boden aus beschossen wird, ohne dass die Ukrainer bisher viel dagegen tun konnten.
Sie mussten mehr oder weniger zusehen, wie diese einst pulsierende europäische Grossstadt kaputt geschossen wird und praktisch täglich Menschen sterben. Nun müssen die Russen ihre Luftoperationen, Waffen und Truppen wohl weiter ins Landesinnere verlegen.
Was bringt der Entscheid der Ukraine im Krieg?
Die Erlaubnis aus Washington bringt nicht die Wende im Krieg, denn in diesem spielen viele weitere Faktoren eine Rolle. Eines der Hauptprobleme ist nach wie vor, dass die Ukraine viel zu wenig Waffen und Munition zur Verfügung hat. Ausserdem fehlen Soldaten. Aber psychologisch ist der Entscheid für die Ukrainer wichtig: Er zeigt, dass die westlichen Verbündeten in der Lage sind, angesichts der Realitäten vor Ort umzudenken und ihre ursprünglichen roten Linien verlassen können. Das ist auch ein wichtiges Signal der Stärke an Moskau.
Ist Kiew damit zufrieden?
Das ukrainische Militär hätte gerne grünes Licht erhalten, um alle legitimen militärischen Ziele in Russland mit westlichen Waffen angreifen zu dürfen – auch tief im Landesinneren. Erst das würde möglicherweise einen echten Unterschied im ganzen Kriegsgeschehen machen. Das wäre völkerrechtlich durchaus erlaubt, weil es eine Verteidigung gegen den russischen Aggressor wäre. Für die Ukrainer bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Sie haben vom ersten Kriegstag an darum gebeten, sich wirksamer verteidigen zu dürfen – und wurden zurückgebunden. Es brauchte erst den drohenden Verlust von Charkiw und viele Tote, bis die Verbündeten umgedacht haben.