Der frühere US-Präsident Donald Trump ist zum dritten Mal angeklagt worden. Die Anklage steht im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol im Januar 2021. Kirk Junker, Professor für US-amerikanisches Recht an der Universität zu Köln, spricht über die rechtlichen Implikationen dieser Anklage.
SRF News: Wie schwerwiegend ist die Anklage gegen Trump?
Kirk Junker: Wenn man die 45 Seiten Anklageschrift liest, wird klar, dass die Ermittlungen eine enorme Menge an Beweisen dafür erbracht haben, dass Trump den Sturz der Regierung geplant hat. Die Beweise zeigen auch, dass ihm viele Berater klargemacht haben, dass er verloren hat und dass er selber zugegeben hat, dass er verloren hat. Und für dieses Verbrechen beträgt die Haftstrafe 20 Jahre Gefängnis.
All die strafrechtlichen Klagen und Verfahren stehen einer neuerlichen Kandidatur als Präsident aber nicht im Weg. Weshalb nicht?
Weil es keine Verfassungsbestimmungen und kein Gesetz gibt, die die Wahl verurteilter Krimineller verhindern.
Einem verurteilten Kriminellen ist es in den meisten Bundesstaaten verboten, zu wählen, aber nicht, gewählt zu werden.
Ironischerweise ist es einem verurteilten Kriminellen in den meisten Bundesstaaten verboten, zu wählen, aber nicht, gewählt zu werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es sich bisher nur um Anklagen und nicht um Verurteilungen handelt. Trump wurde noch nicht wegen einer Straftat verurteilt.
Die Verurteilungen werden interessant. Wer zum Beispiel zum ersten Mal wegen einer Straftat verurteilt wird, muss oft nicht ins Gefängnis, sondern zahlt eine Geldstrafe oder bekommt eine andere Strafe, die keine Gefängnisstrafe ist. Wird er jedoch wegen mehr als einer Straftat verurteilt, entfällt diese Eigenschaft.
Trump sagt, die Klagen gegen ihn seien politisch motiviert. Wie beurteilen Sie das als Jurist?
Diese Ausrede ist mittlerweile abgenutzt und wird juristisch ignoriert. Man muss erwähnen, dass die Anklagen nicht von Staatsanwälten, sondern von Grand Jurys zugelassen wurden. Das bedeutet, dass eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern zu dem Schluss kam, dass es genügend Beweise gab, um Trump zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Für eine politische Manipulation sind einfach zu viele verschiedene strafrechtliche Aspekte am Werk.
Manche Stimmen sagen, man sollte die juristische Aufarbeitung zum jetzigen Zeitpunkt ruhen lassen, im Interesse der ohnehin tief gespaltenen Nation. Wie würden Sie hier gewichten?
Die strafrechtliche Verfolgung eines ehemaligen Präsidenten ist in den USA ein neues Phänomen, aber in anderen Ländern nicht. Man schaue mal nach Bolivien, Kroatien, Venezuela, Frankreich, Italien oder Südkorea.
Eine eindeutige Antwort gibt es nicht, die beste aber ist, dass niemand über dem Gesetz steht und es schmerzhaft sein wird, sich einen US-Präsidenten als Angeklagten oder sogar als verurteilten Kriminellen vorzustellen. Auf lange Sicht ist es für die Gesellschaft besser als Ausnahmen für Politiker, selbst wenn es der Präsident wäre.
Könnte Trump als Präsident die Verfahren gegen ihn stoppen oder sich bei einer Verurteilung selber begnadigen?
Auch hier betreten wir Neuland. Wir haben ein wenig Erfahrung mit Präsident Richard Nixon und 1974 gehabt – der US Supreme Court hat uns daran erinnert. Ich zitiere: «Es gibt kein absolutes Präsidentenprivileg der Immunität von Gerichtsverfahren.» Das Bundesjustizministerium verfolgt trotzdem weiterhin die Politik, dass amtierende Präsidenten nicht angeklagt sein können, da dies den Präsidenten daran hindern würde, seine Pflichten als Leiter der Exekutive wahrzunehmen.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.