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USA lancieren Zollkrieg Kanadische Firmen fürchten ihr Ende wegen Trump

Zolldrohungen, Zölle und Gegenzölle: Die Verunsicherung ist gross im Süden Kanadas. Firmen fürchten um ihre Existenz.

Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten und eingeführten Zölle auf kanadische Produkte sorgen für grosse Verunsicherung. So auch in Windsor, der südlichsten Stadt Kanadas.

Dort, in einer Werkhalle ausserhalb der Stadt, erklärt ein Mitarbeiter eine hochpräzise Maschine. Es ist eine Fünf-Achs-Maschine. Sie schneidet komplexe Strukturen aus Stahlblöcken.

Metallform für Autoteil in Werkstatt.
Legende: Stahlform zur Herstellung von Kotflügeln in der Firma Laval International. SRF/Andrea Christen

Am Boden befindet sich eine Hälfte einer fertigen Form für einen Auto-Kotflügel und Frontlichter. Die Abnehmerfirma wird damit serienweise die Front von Lastwagen herstellen.

Die Unsicherheit ist immens

Das Unternehmen Laval International hat sich unter anderem auf diese Stahlformen spezialisiert. Jonathan Azzopardi leitet das Familienunternehmen mit rund 80 Angestellten. Alle seine Produkte werden in die USA geliefert – direkt, oder eingebaut in Fahrzeugen.

So kann man kein Unternehmen führen.
Autor: Jonathan Azzopardi Chef des Familienunternehmens Laval International

Azzopardi muss derzeit viel Unsicherheit aushalten. «Wenn wir mit der Produktion anfangen, wissen wir nicht, ob zum Zeitpunkt der Auslieferung Zölle in Kraft sein werden oder nicht. So kann man kein Unternehmen führen», klagt er.

Opfer von Zöllen auf beiden Seiten

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Werkstatt mit Maschinen und gelbem Kran.
Legende: SRF/Andrea Christen

Zölle sind für das Unternehmen vom Jonathan Azzopardi existenzbedrohend. Das gilt besonders für die Zölle auf Stahl. Diesen kauft die Firma in den USA. In Kanada wird er bearbeitet, dann geht er zurück über die Grenze, wo er weiterverarbeitet wird. «Der Stahl geht mehrfach hin und her bis wir das Produkt schliesslich in die USA ausliefernۚ», erklärt Azzopardi. Er sei deshalb mehrfach betroffen: Von den US-Zöllen, aber auch von den Vergeltungszöllen der kanadischen Regierung.

Die kanadische und die US-Wirtschaft sind eng verflochten. Nordamerikanische Freihandelsabkommen haben das möglich gemacht. Das letzte wurde 2018 von Präsident Trump unterzeichnet.

Jetzt werden wir mit Zöllen für den Freihandel bestraft.
Autor: Jonathan Azzopardi Chef des Familienunternehmens Laval International

«Freihandelsabkommen haben zum Ziel, dass fein abgestimmte Lieferketten über die Grenze hinweg gebildet werden. Wir haben genau das getan. Und jetzt werden wir mit den Zöllen dafür bestraft», sagt Firmenchef Azzopardi.

Detroit ist gleich ennet dem Fluss

Etwa 20 Auto-Minuten von der Laval-Werkhalle entfernt treiben Eisschollen unter der Ambassador Bridge hindurch. Sie wölbt sich über den Detroit River, hinüber in die Vereinigten Staaten.

Hängebrücke mit kanadischer und US-Flagge am Flussufer.
Legende: Die Ambassador Bridge führt über den Detroit River hinüber in die USA und die Metropole Detroit. SRF/Andrea Christen

Ein Lastwagen fährt über die fast 100-jährige Hängebrücke. Im letzten Jahr nahmen 2.3 Millionen Lastwagen diesen Weg – etwa ein Viertel des Handels zwischen den USA und Kanada wird über diese Brücke abgewickelt.

Auch privat eng verflochtene Grenzgegend

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Vereister Fluss vor Wolkenkratzern unter bewölktem Himmel.
Legende: Die Metropole Detroit ist nur ein Katzensprung entfernt vom kanadischen Windsor. SRF/Andrea Christen

Der Bürgermeister von Windsor, Drew Dilkens, schildert die Lage: «Von meinem Büro im Rathaus zu meinem Lieblings-Thai-Restaurant in Detroit dauert es mit dem Auto etwa neun Minuten.» Viele würden rüberfahren zum Essen, Einkaufen oder zu Sportevents. Viele hätten auch Familienmitglieder auf beiden Seiten der Grenze, erzählt er.

Die Skyline der Grossstadt Detroit ragt am anderen Flussufer auf, nur etwa einen Kilometer entfernt. Ein Strassentunnel führt von Windsor in die Innenstadt von Detroit. Flussabwärts soll bald eine neue Brücke eröffnet werden.

Ableger von US-Autoherstellern in Windsor

Die Nähe zum historischen Zentrum der US-Autoindustrie brachte Windsor wirtschaftliche Vorteile: Vor gut 120 Jahren öffnete eine Ford-Fabrik auf der kanadischen Seite. In der Folge entstand das Arbeiterquartier namens Ford City.

Reihenhäuser mit Veranda entlang eines Gehwegs.
Legende: Das Arbeiterquartier Ford City verdankt seinen Namen der US-Autofabrik, die vor 120 Jahren im kanadischen Windsor angesiedelt wurde. SRF/Andrea Christen

Ford produziert heute noch Motoren in Windsor. Stellantis, ehemals Chrysler, fertigt hier gewisse Autos. Die Zölle könnten die US-Autounternehmen bald dazu veranlassen, ihre Produktion in die USA zu verlagern.

Zwar dauert es einige Zeit, neue Autofabriken in den USA zu bauen. Trotzdem sei die Wirkung von Zöllen auf Autos und Autobestandteilen unmittelbar, glaubt Bürgermeister Drew Dilkens.

Die Autohersteller könnten schon innert einer Woche anfangen, ihre Fabriken herunterzufahren.
Autor: Drew Dilkens Bürgermeister von Windsor/Kanada

«Ich erwarte, dass die Autohersteller innert einer Woche anfangen, ihre Fabriken herunterzufahren.» Und die Hersteller von Autoteilen würden schon bald Angestellte entlassen, weil die Abnehmer fehlen.

Trump scheint es zumindest in Kauf zu nehmen, Kanada in eine Rezession zu stürzen. Doch selbst, falls er nur bluffen sollte: Die Drohungen, das Hin und Her, sorgen für grosse Unsicherheit.

 

Echo der Zeit, 13.3.2025, 18:00 Uhr

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