Wer illegal in die USA einreist, kann keine Toleranz erwarten. «Zero tolerance» heisst die Devise der Trump-Regierung. Seit diesem Frühjahr bekommen das auch die Verletzlichsten zu spüren: Kinder werden systematisch von ihren Eltern getrennt, wenn Familien aufgegriffen werden.
Gestern war Vatertag in den USA – für viele hundert Väter und Mütter war es ein sehr trauriger Tag. Laut offiziellen Angaben sind seit Mitte April gegen 2000 Kinder in speziellen Einrichtungen oder bei Pflegefamilien untergebracht worden. Die Eltern wissen oft wochenlang nicht, was mit ihren Kindern geschehen ist.
Empörung über grausames Vorgehen
«Wir haben mit Vätern gesprochen, denen man ihre Kinder aus den Armen gerissen hat und die keine Ahnung haben, wann und ob sie ihre Kinder wieder sehen werden», sagt der demokratische Abgeordnete Jerry Nadler aus New York.
Nadler gehörte zu einer Gruppe prominenter Politikerinnen und Politiker, die am Wochenende in Texas Einrichtungen für minderjährige Asylsuchende und für Kinder von illegal Eingereisten besucht hatten. Vor den Toren der Lager demonstrierten Aktivistinnen und Aktivisten.
Abschreckung über alles
«So ergeht es auch US-amerikanischen Bürgern, die ein Gesetz gebrochen haben», beschwichtigt Manuel Padilla, Chef der Grenzwacht im Rio Grande Valley. Was er nicht sagt: Die illegale Einreise ist in den USA kein Verbrechen, sondern bloss eine Übertretung. Ausserdem mehren sich die Vorwürfe, dass auch Familien, die vorschriftsgemäss um Asyl nachgesucht haben, voneinander getrennt werden.
Wer die Grenze tatsächlich illegal überquert hat und erwischt wurde, musste bis vor kurzem nur mit ein paar Tagen Haft rechnen und dann mit der Ausweisung. Jetzt aber zieht die Regierung Trump die Schraube an. Die harte Haltung gegenüber Flüchtlingskindern soll offenbar als Abschreckung dienen.
Bibelzitat kommt schlecht an
«Haltet euch einfach an die Gesetze, so wie das schon der Apostel Paulus empfohlen hat. Dann geschieht euren Familien nichts», meinte Justizminister Jeff Sessions. Es ist eine Bibelstelle, die in der Geschichte von Mächtigen schon oft missbraucht worden ist und ein Rat, der viele religiöse Menschen in den USA empört.
Es sei schändlich und furchtbar, Familien auseinanderzureissen, meinte etwa der konservative Pastor Franklin Graham, ein Trump-Anhänger und Sohn des kürzlich verstorbenen Predigers Billy Graham. Die frühere First Lady Laura Bush äusserte sich ähnlich. Eine wachsende Zahl republikanischer Politikerinnen und Politiker ebenfalls. Und sogar Präsidentengattin Melania Trump rief dazu auf, nicht nur mit Gesetzen, sondern auch mit dem Herzen zu regieren.
Druck auf Regierung wächst
All das bringt ihren Mann in Zugzwang. Auch er hasse es, wenn Kinder ihren Eltern weggenommen würden, antwortete Donald Trump auf eine Journalistenfrage. Schuld seien aber die Demokraten, denn diese hätten diese Gesetze verabschiedet. Was so allerdings nicht stimmt. Jedenfalls interpretierten weder frühere demokratische noch republikanische Regierungen die Immigrationsgesetze so, wie es jetzt die Trump-Regierung tut.