Im Kalten Krieg war manches einfacher: Es gab zwei Widersacher, die USA und die Sowjetunion. Sie standen sich militärisch feindselig gegenüber, hatten aber wirtschaftlich so gut wie nichts miteinander zu tun. Man konnte sich getrost ignorieren. Heute wird China zunehmend als Rivale des Westens gesehen. Doch ignorieren kann man sich nicht, zu eng ist die Verflechtung.
Das heisst: Der Westen bräuchte dringend eine China-Strategie. Norwegens Aussenministerin Ine Eriksen Söreide fordert einen transatlantischen Schulterschluss. Das Problem dabei sei: «In Europa sieht man China bisher primär als Partner. In den USA sieht man China zunehmend als Gegner.»
Widerstand in Europa wächst
Doch nun wächst auch in Europa der Unmut über Pekings mitunter aggressives Verhalten: Abriegelung des Heimmarktes, Technologieklau, Datenschutzverletzungen, Missachtung von Menschenrechten, Unterdrückung von Minderheiten, militärische Aufrüstung.
In den USA herrschte schon unter Präsident Barack Obama Misstrauen gegenüber China. Unter Donald Trump wuchs sie zur Feindseligkeit. Bloss: «Trump unternahm nichts, um die Europäer in seine China-Politik einzubinden», beklagt Julianne Smith. Sie war Joe Bidens Beraterin, als er Vizepräsident war, und ist nun auch im Team des künftigen Präsidenten.
Trump habe zwar erkannt, dass sich China zu einer überaus forschen Grossmacht gewandelt hat. Er wählte jedoch, so Eriksen Söreide, den falschen Weg, um dagegenzuhalten: «Statt Europa einzubinden, um China gemeinsam in internationalen Organisationen Paroli zu bieten, verprellte er die Europäer und zog sich aus der multilateralen Zusammenarbeit zurück.»
China nutzt die Gunst der Stunde
Diese Chance nutzte die Pekinger Führung und baute ihren Einfluss in diversen Schlüsselorganen kräftig aus. Jetzt aber stehen die Chancen für eine gemeinsame europäisch-amerikanische China-Politik erstmals gut: In den USA übernimmt ein Präsident, der China ebenfalls äusserst kritisch gegenübersteht, aber auf Multilateralismus setzt. In Europa wiederum werde nun ein Zusammengehen mit den USA angestrebt, glaubt Eriksen Söreide.
Ein Zeichen dafür: «Die Nato widmete sich auf ihrem jüngsten Gipfeltreffen zum ersten Mal überhaupt China», sagt Biden-Beraterin Smith. Das heisse zwar nicht, dass die westliche Militärallianz nun plötzlich im asiatisch-pazifischen Raum Präsenz markieren wolle. Doch die Nato müsse sich mit der zweiten Supermacht befassen – gedanklich und strategisch.
Biden plant, einen Weltgipfel der Demokratien einzuberufen. Dort soll über Wege diskutiert werden, um den autoritären Regimen, allen voran China, etwas entgegenzusetzen. Geht es aber darum, eine solche Strategie konkret mit Inhalt zu füllen, stellen sich viele Fragen: Wie bringt man China dazu, seine Märkte zu öffnen? Wie verhindert man heikle chinesische Investitionen, besonders in Ländern, die dringend auf Gelder angewiesen sind? Wie schafft es der Westen, in Schlüsseltechnologien nicht abgehängt zu werden?
Und wie bindet man China in ein neubelebtes System von Rüstungskontrolle und Abrüstung ein, auch im Nuklearbereich? Andrea Kendall-Taylor von der Denkfabrik Center for a New American Security bringt es so auf den Punkt: «Der wachsende Wille zu einer gemeinsamen Strategie ist mittlerweile deutlich. Bloss: Wo ist die Roadmap?» Da fängt die Arbeit gerade erst an.