Die USA wollen raus – und zwar aus einigen Organisationen der UNO. Raus aus der Weltgesundheitsorganisation WHO, aus dem Pariser Klimaabkommen, sich zurückziehen aus dem Menschenrechtsrat. Das hat Präsident Donald Trump in den letzten Wochen angekündigt. Nun folgen weitere Länder dem Beispiel der USA. So will auch Israel aus dem Menschenrechtsrat raus und Argentinien will nicht mehr Teil der WHO sein. Fredy Gsteiger ordnet für SRF ein.
SRF News: Welche Bedeutung hat das, wenn sich so grosse Player wie die USA aus Teilen der UNO zurückziehen?
Fredy Gsteiger: Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das ganze UNO-System, welches ohnehin seit einiger Zeit unter Druck steht, in zunehmendem Mass erschüttert wird. Im Menschenrechtsrat ist es offenkundig, dass das Lager jener Länder, welche für die Menschenrechte eintreten, also vor allem Europa aber auch etliche lateinamerikanische und afrikanische Länder, geschwächt wird. Länder wie China und Verbündete von China, die eine ganz andere Vorstellung von Menschenrechten haben, werden mehr Gewicht erhalten. Und somit werden die Menschenrechte, definiert als individuelle Freiheitsrechte, geschwächt.
Die dort ansässigen Diktatoren dürften Aufwind verspüren und nur eine geringe Notwendigkeit, irgendwas zu ändern.
Wie könnte sich das konkret auswirken?
Der politische und auch moralische Druck auf Unrechtsstaaten, zu denen neben China auch Venezuela, Myanmar und weitere Länder zählen, wird weniger werden. Die dort ansässigen Diktatoren dürften Aufwind verspüren und nur eine geringe Notwendigkeit, irgendwas zu ändern.
Gleichzeitig gibt es Kritik an den UNO-Organisationen, dass diese sowieso nicht viel bewirken könnten und nur diskutieren würden. Ist da was dran?
Ja, aber trotzdem ist es nur ein Teil der Wahrheit. Die UNO hat in den allermeisten Fällen keine Polizei, um die Beschlüsse auch tatsächlich durchzusetzen. Trotzdem aber haben viele UNO-Entscheidungen konkrete Auswirkungen; beispielsweise bei technischen Organisationen, welche Standards für die Zivilluftfahrt oder eine sichere Seefahrt setzen. Diese werden von UNO-Organisationen festgelegt und sie werden in der Regel von den allermeisten Ländern und auch privaten beteiligten Firmen als relevant und als massgeblich betrachtet. Der Menschenrechtsrat kann seine Beschlüsse nicht wirklich durchsetzen, aber das Gremium bietet die Möglichkeit, Länder, welche Menschenrechte grob verletzen, an den Pranger zu stellen. Man sagt ja auch: Im Dunkeln foltert es sich leichter als im Scheinwerferlicht. Und für dieses Scheinwerferlicht zumindest kann der Menschenrechtsrat sorgen.
Was aber die UNO einzigartig macht, ist, dass dort bislang alle am Tisch sassen und sitzen.
Gäbe es neben der UNO noch Alternativen?
Die UNO ist schwer zu ersetzen. Natürlich gibt es viele andere Gruppierungen. In Europa gibt es die Europäische Union, es gibt die Gruppe der G7-Staaten, bei den Schwellenländern gibt es die Gruppe der BRICS-Staaten. Teilalternativen zur UNO bestehen also, in denen zum Teil auch ähnliche Themen diskutiert werden. Was aber die UNO einzigartig macht, ist, dass dort bislang alle am Tisch sassen und sitzen. Es ist die einzige wirklich universelle, von allen akzeptierte Organisation, wo auch sehr grosse Gegensätze auf den Tisch kommen und behandelt werden. Zwar nicht immer freundschaftlich, nicht immer konstruktiv, aber es gibt eine Diskussion.
Das Gespräch führte Corina Heinzmann.