Nach dem russischen Beschuss auf ein Theater in Mariupol, in dem Hunderte von Zivilisten Zuflucht gesucht hatten, haben sich bereits viele Regierungsvertreter äusserst besorgt über die Lage vor Ort geäussert. Auch in Cherson droht laut ukrainischen Angaben eine humanitäre Katastrophe. SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky befindet sich zurzeit in der westukrainischen Stadt Lwiw und hat Fragen der SRF-User rund um den Ukraine-Krieg beantwortet.
Wie können Informationen von Journalistinnen und Journalisten überprüft werden? Die russischen Behörden haben in Bezug auf die Ukraine in den vergangenen acht Jahren nachweislich immer wieder gelogen. Meine Aufgabe als Journalistin sehe ich darin, die Sachen beim Namen zu nennen. Über den Beschuss auf das Theater in Mariupol beispielsweise habe ich gehört, dass dieser ganz klar von russischer Seite ausgeführt wurde.
Warum kann die Ukraine nicht mit eigenen Luftangriffen reagieren? Moskau gehört zu jenen Regionen der Welt, die sehr starke Luftabwehrsysteme haben. Aus strategischer Sicht wurde in Russland über Jahre viel Geld in die Luftschutzabwehr investiert. Deshalb ist die russische Luftwaffe um einiges stärker als die ukrainische Luftwaffe. Ausserdem gibt es in der Ukraine keine Luftschutzabwehr, da diese in den vergangenen Jahren finanziell nicht stemmbar gewesen wäre.
Wie ist es, wieder in der Ukraine zu sein? Ich überlege mir gut, welche Risiken wir mit welchen Dreharbeiten eingehen – wo, wann und wie lange wir an einem Ort drehen. Und ob es in der Nähe Infrastruktur gibt, die Ziel von Luftangriffen werden könnte. Denn am riskantesten sind in der Tat Luftangriffe, deshalb muss man sich diesbezüglich schon Gedanken machen.
Wie funktionieren alltägliche Dinge wie Einkaufen? Es gibt Läden, die geschlossen sind und einzelne Produkte, die man nicht mehr kaufen kann. Beispielsweise habe ich heute in Lwiw lange versucht, einen Kanister für Benzin oder Diesel zu besorgen. Solche Vorbereitungen werden momentan getroffen für eine Notsituation. Ausserdem kann man in den Läden keinen Alkohol mehr kaufen.
In Russland ist es nicht erlaubt zu sagen, dass Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt.
Gibt es eine Möglichkeit, aus Mariupol zu berichten? Zurzeit ist es nicht möglich nach Mariupol zu reisen, ohne zu riskieren, dass man von russischen Streitkräften unter Beschuss gerät. Die Menschen sind verzweifelt, da bisher nur ganz wenigen Menschen die Flucht gelungen ist. Es hat bisher auch keine Möglichkeit gegeben, einen grösseren Hilfskonvoi nach Mariupol zu schicken.
Wie ist die Lage in Russland? Ich habe viele Bekannte, die sich aktuell noch in Russland befinden. Viele haben Russland bereits unter schwierigen Bedingungen verlassen, weil sie beispielsweise als Journalistinnen oder Journalisten einem grossen Risiko ausgesetzt sind. In Russland ist es zum Beispiel verboten, das Wort «Krieg» zu benutzen – es ist nicht erlaubt zu sagen, dass Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt. Deshalb müssen Begriffe benutzt werden, die von der russischen Regierung vorgegeben werden. Viele Journalistinnen und Journalisten sind dagegen und versuchen nun auszureisen.
Mein Eindruck ist bisher, dass es Russland nicht ernst ist mit Friedensverhandlungen.
Wie sind die bisherigen Friedensverhandlungen einzuschätzen? Mein Eindruck ist bisher, dass es Russland nicht ernst ist mit Friedensverhandlungen. Wenn es Russland wirklich ernst wäre mit Verhandlungen – und hier reden wir von einem Waffenstillstand oder humanitären Korridoren – würde Wladimir Putin aktiv in die Gespräche involviert werden. Solange Putin nicht am Tisch sitzt, ist nicht viel zu erwarten.