Der Römer Kardinal Eugenio Pacelli war 1939, nur wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, zum Papst gewählt worden. Er nahm den Namen Pius XII. an. Als solcher führte er die römisch-katholische Kirche durch den Zweiten Weltkrieg und dann in die Nachkriegszeit, bis zu seinem Tod 1958.
Eine lange und eine wichtige Zeit. Historiker forderten darum schon lange, das päpstliche Geheimnis für diese Jahre zu lüften. Pacelli war aber schon vor seiner Wahl zum Papst ein sehr wichtiger Mann. In den 1920er-Jahren war er päpstlicher Botschafter in Berlin.
Als solcher kannte er die Nationalsozialisten und deren Rassenwahn nicht nur vom Hörensagen, sondern aus eigener Anschauung und Erfahrung. Hat dieser Papst ab 1939 wirklich alles in seiner Macht stehende getan, um den Mord an Juden, an Behinderten oder auch an Fahrenden anzuprangern, und damit in letzter Konsequenz Leben zu retten?
Kontroverse unter Historikern
Das NS-Regime schickte die Juden ab 1942 in die Vernichtungslager. Ab wann wusste Papst Pius davon? Und wenn er davon wusste: Warum hat er zumindest öffentlich nicht reagiert, um dem Massenmord Einhalt zu gebieten? Das sind Fragen, die die Forschung derzeit sehr kontrovers diskutiert.
Es gibt Historiker, die Pius XII. als kühlen Diplomaten darstellen, der schwieg und wegschaute. Andere Forscher aber verweisen darauf, dass Pius tausenden Römer Juden Asyl bot und ihr Leben rettete, als die Nazis anfingen, auch italienische Jüdinnen und Juden zu deportieren.
Seligsprechung soll abgewartet werden
Jetzt, mit der bevorstehenden Öffnung des Archivs, können Historiker endlich Antworten auf Grundlage sämtlicher Quellen geben. Das ist für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, aber besonders auch für die römisch-katholische Kirche, wichtig. Denn seit Längerem läuft ein Verfahren zur Seligsprechung von Pius XII. Namhafte Historiker fordern, dieses Verfahren auszusetzen, bis die Akten ausgewertet wurden.
Das päpstliche Geheimnis und die langen Sperrfristen gerieten in letzter Zeit generell in die Kritik. Nicht nur wegen der Rolle Pius' XII., sondern auch wegen der zahlreichen Missbrauchsfälle. Der einflussreiche deutsche Kardinal Reinhard Marx hat vor ein paar Tagen angeregt, das päpstliche Geheimnis «neu zu definieren» – eine eindeutige Aufforderung an Papst Franziskus ganz generell mehr Transparenz und Klarheit zu schaffen.