Das Interesse der arabischen Ölprinzen an Afrika begann an der Küste des Roten Meers, doch der Radius ihres Engagements reicht inzwischen quer über den afrikanischen Kontinent und in verschiedene Wirtschaftszweige. Die Emirate mischen sich auch in Kriegsgebieten ein, zum Beispiel in Sudan.
Das emiratische Fernsehen verbreitet die Livebilder von der Eröffnung des neuen Feldspitals in Abéché im Tschad an der Grenze zu Sudan. Medizinische Infrastruktur im Wert von zwanzig Millionen Dollar aus Abu Dhabi. Es ist nur die jüngste Hilfstranche vom Golf in der aktuell grössten Flüchtlingskrise der Welt.
Das humanitäre Engagement der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) für die Opfer des Machtkampfs in Sudan ist beeindruckend. Doch der Vorwurf hält sich: Die Golfprinzen liefern nicht nur humanitäre Hilfe, sondern versorgten einen der beiden Kriegsherren in Sudan auch mit Waffen. Mit andern Worten: Sie befeuern den mörderischen Konflikt, dessen Folgen sie mit ihren Feldspitälern gleichzeitig zu lindern versuchen.
Muslimbrüder als gemeinsamer Feind
Selbst die USA, ihr ältester Verbündeter, zeigen neuerdings mit dem Finger auf sie: US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kritisierte vor dem UNO-Sicherheitsrat Ende April im Zusammenhang mit ausländischen Waffenlieferungen nach Sudan ausdrücklich die Emirate. Auch ein UNO-Bericht kam zum Schluss, der Vorwurf der Waffenlieferungen an Sudan sei glaubwürdig.
Empfänger der Militärhilfe aus Abu Dhabi ist demnach der Milizenführer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, der Chef der sogenannten Rapid Support Forces. Die Regierung in Abu Dhabi bestreitet eine direkte Verwicklung in den Krieg vehement. Man sei für Frieden in Sudan.
Unbestritten ist, dass die Ölmonarchie zum sudanesischen Warlord Hemeti eine weit zurückreichende und enge Beziehung unterhält – Hemeti, dem schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, das Aushungern von Zivilisten etwa, oder systematische Massaker gegen ethnische Minderheiten.
Es wird angenommen, dass der ehemalige Kamelhändler seit langem seine umfangreichen Goldgeschäfte über Dubai abwickelt. Die autokratische Führung der VAE teilt mit Hemeti auch die Feindschaft gegenüber Islamisten, genauer Muslimbrüdern.
Die subversive Kraft, welche diese Islamisten in manchen muslimischen Gesellschaften entfalteten, alarmierte die Alleinherrscher in Abu Dhabi schon vor Jahren. Hemeti bot sich ihnen als Verbündeter in diesem «Kampf gegen den Terror» an. Er mobilisierte seine sudanesischen Söldner, sie kämpften im Interesse und Auftrag der VAE in Libyen, in Jemen. Es ging also schon früh um beides, ums Business und um Kriegsdienste.
«Sparta vom Golf»
Als Reaktion auf die Massenproteste des «Arabischen Frühlings» mischten sich die VAE in diverse regionale Konflikte ein, von Bahrain bis Ägypten. Der Begriff vom «Sparta am Golf» machte die Runde: Wie der antike Stadtstaat betrieben die Emirate mit ihren Ölmilliarden eine aggressive Aussenpolitik, die in keinem Verhältnis stehe zu ihrer geringen Grösse.
Wo andere Chaos und Destabilisierung zulassen, übernehmen die Emirate historische Verantwortung und fördern die Kräfte der Mässigung.
Was die Vereinigten Arabischen Emirate in ihrer Aussenpolitik leite, sei «das Streben nach Stabilität», beteuert Abdulkhaleq Abdulla, der bekannteste Politexperte der Emirate. Er gilt als regierungsnah. «Wo andere Chaos und Destabilisierung zulassen, übernehmen die Emirate historische Verantwortung und fördern die Kräfte der Mässigung», sagte er bei unserem letzten Besuch in Dubai.
In Sudan sehen jedoch viele die Emirate selbst in der Rolle derer, die Chaos säen. Und schon im Jemenkrieg zeigte sich, wie konsequent die VAE strategisches Engagement mit Handelsinteressen verbinden. Abu Dhabi sicherte sich mithilfe verbündeter jemenitischer Kämpfer die Kontrolle über wichtige Häfen auf der arabischen Seite des Roten Meers. Von dort ist es nur ein kleiner Sprung nach Afrika.
Entlang der afrikanischen Rotmeerküste und am sogenannten Horn von Afrika begannen die Golfprinzen ebenfalls Hafeninfrastrukturen aufzubauen, von Eritrea über Djibouti bis nach Somaliland. Inzwischen investieren sie in Hafenanlagen bis an die gegenüberliegende, westliche Küste Afrikas, in Angola und Senegal etwa.
Für Eleonora Ardemagni zeigt sich darin, wie sehr inzwischen der gesamte afrikanische Kontinent im Fokus der emiratischen Expansion steht. Sie erforscht die emiratische Aussenpolitik am Italienischen Institut für Internationale Politische Studien in Mailand.
Die Schifffahrtslogistik ist nur noch eine von vielen emiratischen Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent. Die VAE kaufen sich auch im Bergbau ein, investieren dabei in Goldminen, aber auch in Rohstoffe, die für die Energiewende relevant sind: Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel. Ihr Interesse am Minengeschäft reicht von Sambia über Angola bis Tansania. Daneben betreiben sie Windfarmen in Südafrika, Solaranlagen in Mauretanien.
Ausbeutung strategischer Rohstoffe
Ardemagni sieht in der Energiewende einen der Treiber der Expansion. Die Ölprinzen vom Golf suchen sich für eine Zukunft abzusichern, in der ihnen der Wohlstand nicht mehr selbstverständlich aus dem heimischen Boden zusprudelt.
Ein Anliegen ist den Investoren aus dem trockenen Wüstenstaat auch die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung via Afrika. Dennoch bleibt auch das traditionelle Ölgeschäft wichtig, in Mozambique etwa. Und selbst in der Telekommunikation sind die Emirate aktiv, in nicht weniger als 12 verschiedenen afrikanischen Staaten.
Was die Milliarden an Direktinvestitionen in Afrika angeht, haben die Emirate inzwischen China überholt. Und ihr Engagement in Afrika sei auf Dauer angelegt, glaubt die Golfforscherin in Mailand.
Dubai als «Businesshub» Afrikas
Während die Emirate in grossem Stil in die Ausbeutung der Ressourcen des Kontinents investieren, zieht Dubai im Gegenzug die Finanzgeschäfte der afrikanischen Eliten an sich: Die Handelsdrehscheibe am Persischen Golf mit ihren verspiegelten Glaspalästen gilt neuerdings als wichtigster «Businesshub» Afrikas.
Die Emirate wollen ihre Politik der freien Hand behalten.
Zugute kommt der schwerreichen Golfmonarchie im internationalen Beziehungsgeflecht ihre Wendigkeit. Sie operiert seit jeher unter dem Schutzschirm der USA, lässt sich aber immer weniger von eigenständigen Beziehungen zu China und Russland abhalten.
«Die Emirate wollen ihre Politik der freien Hand behalten», sagt Eleonora Ardemagni. Auch westliche Sanktionen beeindrucken die Herrscher von Abu Dhabi und Dubai nur von Fall zu Fall. Die Sanktionen gegen Russland seien wirkungslos und machten nur das Geschäft komplizierter – so liess sich ein führender Wirtschaftsvertreter Dubais kürzlich in der Financial Times zitieren.
Bis jetzt geht die Strategie auf: Die Berichte über Waffenlieferungen nach Sudan, die Tatsache, dass die Emirate im Ukrainekrieg westliche Sanktionen unterlaufen – beides hat im Westen zu Verstimmung geführt, die Beziehungen aber nicht nachhaltig gestört.
Konkurrenz erwächst dem potenten Kleinststaat allenfalls vor der Haustür, wo eine ungleich grössere Golfmonarchie ebenfalls Appetit auf den immensen Reichtum Afrikas entwickelt und sich ebenfalls vom Westen freizustrampeln versucht: Saudi-Arabien. Die Emirate nehmen es vorerst gelassen. Sie sind dem grossen Bruderstaat im Afrikageschäft um Jahre voraus.