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Zweifelhaftes Gold aus Dubai in der Schweiz
Aus Rendez-vous vom 26.06.2024. Bild: Imago
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Vereinigte Arabische Emirate Wie die Ölprinzen den afrikanischen Kontinent erobern

Manche sprechen von einer neuen «Supermacht in Afrika». Wo bisher China, Russland und die USA gegeneinander konkurrierten, schiebt sich ein neuer Player dazwischen, der gewaltige Ambitionen und enorm viel Geld hat – die Vereinigten Arabischen Emirate. Dabei geht es um weit mehr als Business.

Das Interesse der arabischen Ölprinzen an Afrika begann an der Küste des Roten Meers, doch der Radius ihres Engagements reicht inzwischen quer über den afrikanischen Kontinent und in verschiedene Wirtschaftszweige. Die Emirate mischen sich auch in Kriegsgebieten ein, zum Beispiel in Sudan.

Das emiratische Fernsehen verbreitet die Livebilder von der Eröffnung des neuen Feldspitals in Abéché im Tschad an der Grenze zu Sudan. Medizinische Infrastruktur im Wert von zwanzig Millionen Dollar aus Abu Dhabi. Es ist nur die jüngste Hilfstranche vom Golf in der aktuell grössten Flüchtlingskrise der Welt.

Frauen in bunten Kleidern gehen an Strohhütte in einem Flüchtlingslager vorbei.
Legende: Sudanesische Frauen, die vor dem Konflikt in Darfur geflohen sind, leben in behelfsmässigen Unterkünften in Adre, Tschad. (Bild vom August 2023) REUTERS/Zohra Bensemra

Das humanitäre Engagement der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) für die Opfer des Machtkampfs in Sudan ist beeindruckend. Doch der Vorwurf hält sich: Die Golfprinzen liefern nicht nur humanitäre Hilfe, sondern versorgten einen der beiden Kriegsherren in Sudan auch mit Waffen. Mit andern Worten: Sie befeuern den mörderischen Konflikt, dessen Folgen sie mit ihren Feldspitälern gleichzeitig zu lindern versuchen. 

Muslimbrüder als gemeinsamer Feind 

Selbst die USA, ihr ältester Verbündeter, zeigen neuerdings mit dem Finger auf sie: US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kritisierte vor dem UNO-Sicherheitsrat Ende April im Zusammenhang mit ausländischen Waffenlieferungen nach Sudan ausdrücklich die Emirate. Auch ein UNO-Bericht kam zum Schluss, der Vorwurf der Waffenlieferungen an Sudan sei glaubwürdig.

Empfänger der Militärhilfe aus Abu Dhabi ist demnach der Milizenführer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, der Chef der sogenannten Rapid Support Forces. Die Regierung in Abu Dhabi bestreitet eine direkte Verwicklung in den Krieg vehement. Man sei für Frieden in Sudan.

Mann in Militäruniform, der ein Dokument unterschreibt, umgeben von drei Männern.
Legende: Erhält der sudanesische Kriegsherr Hemeti Waffen vom Golf? (In der Mitte, Bild vom Juli 2019.) Keystone/AP Photo/Mahmoud Hjaj

Unbestritten ist, dass die Ölmonarchie zum sudanesischen Warlord Hemeti eine weit zurückreichende und enge Beziehung unterhält – Hemeti, dem schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, das Aushungern von Zivilisten etwa, oder systematische Massaker gegen ethnische Minderheiten.

Es wird angenommen, dass der ehemalige Kamelhändler seit langem seine umfangreichen Goldgeschäfte über Dubai abwickelt. Die autokratische Führung der VAE teilt mit Hemeti auch die Feindschaft gegenüber Islamisten, genauer Muslimbrüdern. 

Die subversive Kraft, welche diese Islamisten in manchen muslimischen Gesellschaften entfalteten, alarmierte die Alleinherrscher in Abu Dhabi schon vor Jahren. Hemeti bot sich ihnen als Verbündeter in diesem «Kampf gegen den Terror» an. Er mobilisierte seine sudanesischen Söldner, sie kämpften im Interesse und Auftrag der VAE in Libyen, in Jemen. Es ging also schon früh um beides, ums Business und um Kriegsdienste.

«Sparta vom Golf»

Als Reaktion auf die Massenproteste des «Arabischen Frühlings» mischten sich die VAE in diverse regionale Konflikte ein, von Bahrain bis Ägypten. Der Begriff vom «Sparta am Golf» machte die Runde: Wie der antike Stadtstaat betrieben die Emirate mit ihren Ölmilliarden eine aggressive Aussenpolitik, die in keinem Verhältnis stehe zu ihrer geringen Grösse.

Wo andere Chaos und Destabilisierung zulassen, übernehmen die Emirate historische Verantwortung und fördern die Kräfte der Mässigung.
Autor: Abdulkhaleq Abdulla Ehemaliger Professor für Politikwissenschaften

Was die Vereinigten Arabischen Emirate in ihrer Aussenpolitik leite, sei «das Streben nach Stabilität», beteuert Abdulkhaleq Abdulla, der bekannteste Politexperte der Emirate. Er gilt als regierungsnah. «Wo andere Chaos und Destabilisierung zulassen, übernehmen die Emirate historische Verantwortung und fördern die Kräfte der Mässigung», sagte er bei unserem letzten Besuch in Dubai.

Mann in traditioneller Kleidung signiert ein Buch.
Legende: Abdulkhaleq Abdulla, ehemaliger Professor für Politikwissenschaften, war auch Berater des heutigen Staatspräsidenten Muhammad bin Zayid. Abdulla preist die VAE als «neue Führungsmacht» in der Region. SRF

In Sudan sehen jedoch viele die Emirate selbst in der Rolle derer, die Chaos säen. Und schon im Jemenkrieg zeigte sich, wie konsequent die VAE strategisches Engagement mit Handelsinteressen verbinden. Abu Dhabi sicherte sich mithilfe verbündeter jemenitischer Kämpfer die Kontrolle über wichtige Häfen auf der arabischen Seite des Roten Meers. Von dort ist es nur ein kleiner Sprung nach Afrika.

Entlang der afrikanischen Rotmeerküste und am sogenannten Horn von Afrika begannen die Golfprinzen ebenfalls Hafeninfrastrukturen aufzubauen, von Eritrea über Djibouti bis nach Somaliland. Inzwischen investieren sie in Hafenanlagen bis an die gegenüberliegende, westliche Küste Afrikas, in Angola und Senegal etwa. 

Für Eleonora Ardemagni zeigt sich darin, wie sehr inzwischen der gesamte afrikanische Kontinent im Fokus der emiratischen Expansion steht. Sie erforscht die emiratische Aussenpolitik am Italienischen Institut für Internationale Politische Studien in Mailand.

Frau mit braunem Schal im Garten.
Legende: Eleonora Ardemagni ist Expertin für Jemen, die Golfmonarchien und die arabischen Streitkräfte. Italian Institute for International Political Studies (ISPI)

Die Schifffahrtslogistik ist nur noch eine von vielen emiratischen Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent. Die VAE kaufen sich auch im Bergbau ein, investieren dabei in Goldminen, aber auch in Rohstoffe, die für die Energiewende relevant sind: Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel. Ihr Interesse am Minengeschäft reicht von Sambia über Angola bis Tansania. Daneben betreiben sie Windfarmen in Südafrika, Solaranlagen in Mauretanien.

Ausbeutung strategischer Rohstoffe

Ardemagni sieht in der Energiewende einen der Treiber der Expansion. Die Ölprinzen vom Golf suchen sich für eine Zukunft abzusichern, in der ihnen der Wohlstand nicht mehr selbstverständlich aus dem heimischen Boden zusprudelt.

Ein Anliegen ist den Investoren aus dem trockenen Wüstenstaat auch die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung via Afrika. Dennoch bleibt auch das traditionelle Ölgeschäft wichtig, in Mozambique etwa. Und selbst in der Telekommunikation sind die Emirate aktiv, in nicht weniger als 12 verschiedenen afrikanischen Staaten.

Was die Milliarden an Direktinvestitionen in Afrika angeht, haben die Emirate inzwischen China überholt. Und ihr Engagement in Afrika sei auf Dauer angelegt, glaubt die Golfforscherin in Mailand.

Dubai als «Businesshub» Afrikas

Während die Emirate in grossem Stil in die Ausbeutung der Ressourcen des Kontinents investieren, zieht Dubai im Gegenzug die Finanzgeschäfte der afrikanischen Eliten an sich: Die Handelsdrehscheibe am Persischen Golf mit ihren verspiegelten Glaspalästen gilt neuerdings als wichtigster «Businesshub» Afrikas.

Die Emirate wollen ihre Politik der freien Hand behalten.
Autor: Eleonora Ardemagni Golfforscherin

Zugute kommt der schwerreichen Golfmonarchie im internationalen Beziehungsgeflecht ihre Wendigkeit. Sie operiert seit jeher unter dem Schutzschirm der USA, lässt sich aber immer weniger von eigenständigen Beziehungen zu China und Russland abhalten.

Schillerndes Dubai

Box aufklappen Box zuklappen

Keine andere Destination wirkt so anziehend auf Millionäre wie die Glitzerstadt Dubai mit ihren Wolkenkratzern und Shoppingmalls. Faktoren für diese Attraktivität seien der luxuriöse Lebensstil, die Vergabe von «goldenen Visa» für Vermögende, die Tatsache, dass kaum Steuern erhoben werden, sowie die attraktive geografische Lage auf halbem Weg zwischen Europa und Asien, schreibt der globale Steuerberater «Henley and Partner».  

Doch «geleakte» Angaben aus dem Immobilienregister illustrierten jüngst, wie sich zwischen unbescholtener Schickeria offenbar auch eine dubiose Halbwelt wohlfühlt. Darunter sollen neben Steuerflüchtlingen auch Drogenbarone und gesuchte Geldwäscher sein, ausserdem Geschäftsleute, die unter internationalen Sanktionen stehen. Sie kommen aus allen Weltgegenden, auch aus Afrika, wie eine Recherche von «Organized Crime and Corruption Reporting Project», ein Netzwerk von Journalisten-Organisationen, zeigt. Auch ein grosser Teil des afrikanischen Goldes wird über Dubai umgeschlagen, offenbar auch sehr viel geschmuggeltes, wie eine Auswertung der Organisation «Swissaid» ergab.

Die VAE sehen sich zu Unrecht am Pranger und verweisen auf eine Reihe von Abkommen zur internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Kriminalität. Die internationale Financial Action Task Force (FATF) gegen Geldwäscherei und Terrorfinanzierung nahm sie dieses Jahr tatsächlich von ihrer «Grauen Liste» der Staaten, die im Kampf gegen Geldwäscherei nicht genügend kooperieren. Die EU-Kommission wollte nachziehen. Doch das Europäische Parlament stellte sich quer. Noch fehlt ihm der Tatbeweis, dass die VAE den Kampf gegen schmutziges Geld genügend ernst nehmen.

«Die Emirate wollen ihre Politik der freien Hand behalten», sagt Eleonora Ardemagni. Auch westliche Sanktionen beeindrucken die Herrscher von Abu Dhabi und Dubai nur von Fall zu Fall. Die Sanktionen gegen Russland seien wirkungslos und machten nur das Geschäft komplizierter – so liess sich ein führender Wirtschaftsvertreter Dubais kürzlich in der Financial Times zitieren.   

Luftaufnahme einer modernen Stadt mit Hochhäusern bei bewölktem Himmel.
Legende: Skyline von Dubai. (Bild vom November 2023) Keystone/AP Photo/Kamran Jebreili)

Bis jetzt geht die Strategie auf: Die Berichte über Waffenlieferungen nach Sudan, die Tatsache, dass die Emirate im Ukrainekrieg westliche Sanktionen unterlaufen – beides hat im Westen zu Verstimmung geführt, die Beziehungen aber nicht nachhaltig gestört. 

Konkurrenz erwächst dem potenten Kleinststaat allenfalls vor der Haustür, wo eine ungleich grössere Golfmonarchie ebenfalls Appetit auf den immensen Reichtum Afrikas entwickelt und sich ebenfalls vom Westen freizustrampeln versucht: Saudi-Arabien. Die Emirate nehmen es vorerst gelassen. Sie sind dem grossen Bruderstaat im Afrikageschäft um Jahre voraus.

Rendez-vous, 26.6.2024, 12:30 Uhr;kobt

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