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Über die Messbarkeit der internationalen Zusammenarbeit
Aus Rendez-vous vom 22.10.2024. Bild: KEYSTONE/Gaetan Bally
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Vereinte Nationen Alle machen mit, doch sie erreichen wenig

Die Welt steht am Abgrund; nichts geht mehr auf der diplomatischen Weltbühne – das gehört mittlerweile zum Standardrepertoire von Kommentatorinnen und Politikanalysten. Doch ist das bloss ein Bauchgefühl? Oder lässt sich das belegen? Der sogenannte Multilateralismus-Index versucht nun letzteres.

Wie steht es wirklich um die internationale Zusammenarbeit und nicht zuletzt um die Vereinten Nationen? Vorurteile und Urteile dazu gibt es reichlich. Seriöse Einschätzungen sind rar.

«Das Wirken und die Leistungen des multilateralen Systems sind schwierig zu messen», sagt Adam Lupel, Vizepräsident der Denkfabrik International Peace Institute. Sein Institut präsentiert, zusammen mit dem Institute for Economics and Peace, einen Multilateralismus-Index. Er soll eine nüchterne Analyse ermöglichen. Sie stützt nun den Eindruck eines UNO-Systems in der Krise.

Symbol der Vereinten Nationen auf Glas.
Legende: Die Welt am Abgrund – stimmt der Eindruck wirklich? Die UNO hat eine Messart vorgestellt, die wissenschaftlich erhärten soll, wie es beispielsweise um Menschenrechte oder das Klima bestellt ist. Keystone/JOHN MINCHILLO

«Allerdings hat das Interesse der 193 UNO-Mitgliedsländer, sich im multilateralen System zu engagieren, keineswegs abgenommen», sagt Albert Trithart, der Chefautor des Multilateralismus-Index.

Ein Beispiel dafür: Für die UNO-Gipfelwoche im September strömen Jahr für Jahr gegen 150 Staats- und Regierungschefs zum Hauptsitz der Vereinten Nationen nach New York. Auch bei anderen UNO-Veranstaltungen, Treffen und Verhandlungen mangelt es nicht an Teilnehmenden.

Mangel an Ergebnissen und Fortschritten

Beteiligung an Verhandlungsprozessen und in UNO-Gremien heisse indes, so Albert Trithart, noch nicht, dass alle Länder positiv mitwirken würden. Besonders deutlich sei das beim Thema Menschenrechte. So würden im UNO-Menschenrechtsrat überdurchschnittlich viele Staaten sitzen, die eine lamentable Menschenrechtsbilanz aufweisen. Darunter China, Eritrea oder Kuba. Sie setzen sich im Menschenrechtsrat primär gegen die Freiheitsrechte der einzelnen Bürgerinnen und Bürger ein.

Dazu kommt: Zwar fehlt es nicht an der Mitarbeit in den Vereinten Nationen, hingegen an konkreten Ergebnissen und Fortschritten. Am schlechtesten steht es im Bereich Frieden und Sicherheit. Die Zahl der kriegerischen Konflikte hat weltweit zugenommen, die Zahl der Opfer ebenso, Friedensverhandlungen finden kaum noch statt, bisherige Friedensabkommen sind gefährdet.

Der UNO-Sicherheitsrat ist in zentralen Fragen – Ukraine, Nahost – blockiert. Die UNO kann als Friedensvermittler kaum noch aktiv werden.

Abkommen aushandeln und durchsetzen

Auch auf anderen Feldern sieht es schlecht aus. Die internationale Handelsdiplomatie ist schon länger faktisch zum Erliegen gekommen, die Welthandelsorganisation der UNO, die WTO, ist gelähmt. Im Gesundheitswesen kommt – trotz der bitteren Erfahrungen der Covid-Pandemiekrise – die weltweite Kooperation kaum voran. Bei der Klimapolitik hinkt man den Verpflichtungen weit hinterher. Das zeigt auch: Es reicht nicht, wenn Regierungen Abkommen aushandeln. Sie müssten sie danach zu Hause durchsetzen.

Gerade für kleine Staaten ist multilaterale Zusammenarbeit nicht bloss eine Option, vielmehr eine Notwendigkeit.
Autor: Erik Laursen UNO-Botschafter und Vertreter von Dänemark

Offenkundig ist: Immer noch wird viel, mitunter gar mehr politische Energie in die internationale Zusammenarbeit investiert. Doch es kommt zu wenig dabei heraus. Das sei kein guter Befund, findet Erik Laursen, der Dänemark als UNO-Botschafter vertritt: «Gerade für kleine Staaten ist multilaterale Zusammenarbeit nicht bloss eine Option, vielmehr eine Notwendigkeit.» Ansonsten regiere in der Welt Rücksichtslosigkeit und es gelte das Recht des Stärkeren.

Die Befunde des Multilateralismus-Indexes sind insgesamt unerfreulich. Ändern lässt sich das mit wortreichen Bekenntnissen zur UNO nicht.

Rendez-vous, 22.10.2024, 12:30 Uhr

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