Russland setzt immer wieder auf eine Politik der Blockade. Diese Woche beispielsweise wollte Russland zusammen mit China eine Stärkung der OPCW verhindern. Für Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF, ist dies Russlands Strategie – aus einer Position der Schwäche.
SRF News: Aus westlicher Sicht hat man den Eindruck, Russland setzt voll auf Verhinderungspolitik. Stimmt dieser Eindruck?
Fredy Gsteiger: Dieser Eindruck ist weitgehend richtig. Man muss aber fairerweise sagen, dass es beispielsweise im Syrienkonflikt eine bedeutende Ausnahme gibt: Nach den ersten Giftgaseinsätzen in Syrien war Russland federführend daran beteiligt, eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat zu verabschieden, die zum Ziel hatte, das Waffenarsenal des Diktators zu beseitigen. Russland hat damit erfolgreich eine amerikanische Militärintervention gegen das Assad-Regime verhindert. In diesem einen Fall war Russland konstruktiv, in sehr vielen anderen Fällen ist es das nicht.
Warum ist Russland stets in dieser Oppositionsrolle?
Es gibt zwei Hauptgründe: Russland ist eigentlich ein relativ schwaches Land, vor allem auch wirtschaftlich. Russland möchte aber trotzdem in der Liga der Grossmächte mitspielen. Da ist es für ein vergleichsweise schwaches Land einfacher, Verhinderungspolitik als gestaltende Politik zu betreiben.
Es erlaubt Russland Einfluss aus einer Position relativer Schwäche heraus zu nehmen.
Der zweite Grund: Wer Ideen auf der internationalen Bühne durchsetzen will, braucht Alliierte. Das war lange Zeit die Stärke der Vereinigten Staaten. Unter Präsident Trump ist es dies nicht mehr so sehr. Vor diesem Hintergrund ist eine Verhinderungsstrategie für Russland der richtige Weg. Es erlaubt Russland, Einfluss aus einer Position relativer Schwäche heraus zu nehmen.
Es geht nur um Machtpolitik und nicht um Inhalt?
Das ist so. Es betrifft allerdings nicht nur Russland, sondern auch andere Länder, die sich oft so verhalten. Und es ist natürlich eine Sache der Betrachtungsweise. Russland würde argumentieren, dass es in Syrien sehr wohl um Inhalte geht. Konkret ging es darum, den Sturz von Präsident Assad zu verhindern.
Syrien ist das eine. Letzte Woche aber verhinderte Russland eine Burma-Resolution. Mit welchem Interesse?
Es ist ein typischer Fall, der zeigt, dass das Zusammenspiel zwischen den beiden grossen Mächten China und Russland im Moment sehr gut funktioniert. China hat Russland in der Syrien-Politik weitgehend unterstützt, und Russland unterstützt nun China weitgehend in Burma-Politik.
Die üblichen Verbündeten spannen also zusammen, egal worum es geht?
Das kann man so sagen. China und Russland wollen im Moment die etablierte Weltordnung aufbrechen und eine weniger westlich geprägte Weltordnung durchsetzen. Sie sehen im Moment sozusagen die Chance des Jahrhunderts, das zu tun, weil Europa schwächelt und vor allem, weil sich die Amerikaner ein Stück weit vom Multilateralismus und damit auch von UNO-Bühne verabschiedet haben.
Wenn es den UNO-Sicherheitsrat nicht gäbe, was wäre die Alternative?
Macht der UNO-Sicherheitsrat überhaupt noch Sinn, wenn sich Russland und der Westen gegenseitig blockieren?
Das ist die grosse Frage. Andererseits, wenn es den UNO-Sicherheitsrat nicht gäbe, was wäre die Alternative? Eine bessere Alternative hat noch niemand vorgeschlagen. Es ist ja nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der UNO-Sicherheitsrat in wichtigen Fragen blockiert ist. Und es gibt durchaus auch andere Beispiele. Es gibt Bereiche wo der UNO-Sicherheitsrat in den vergangenen Jahren relativ gut funktioniert hat – beispielsweise bei der Sanktionspolitik gegenüber Nordkorea.
Das Gespräch führte Romana Costa.