Was hat die Weltgesundheitsorganisation beschlossen? Die WHO hat die sechs wichtigsten Luftschadstoffe neu bewertet. Das sind Abgase, die in Verbrennungsprozessen entstehen, also in Auto- oder Lastwagenmotoren, in Heizungen oder in Industrieanlagen. Die WHO hat ihre bisherigen empfohlenen Grenzwerte stark gesenkt. Etwa beim Verkehrsabgas Stickstoffdioxid will man von heute 40 Mikrogramm auf künftig 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft runter. Beim Feinstaub um die Hälfte bis ein Drittel.
Aufgrund welcher Erkenntnisse senkt die WHO die Grenzwerte? Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten 15 Jahre sind eingeflossen. Neues und sehr gut fundiertes Wissen basiert auf zum Teil riesigen Studien mit mehreren hunderttausend Teilnehmenden. «Bei dieser guten Datenlage kann man sagen, es gibt keine wirklich ungefährliche Luftverschmutzung», erläutert Wissenschaftsredaktorin Anita Vonmont. Schon in geringen Konzentrationen seien diese giftigen Gase gesundheitsschädlich, wenn man sie permanent im Alltag einatmet.
Was lösen diese Gase im Körper aus? Wenn sie in den Körper gelangen, beginnt er sich zu wehren. Es gibt eine Entzündung und es kann eine systemische Reaktion geben. Alle Organe können betroffen sein. Typische Krankheiten, die von Luftschadstoffen mitverursacht werden, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkte, Lungenkrankheiten oder Arteriosklerose. «Schon eine geringe Luftbelastung kann etwa bei Asthmatikern zu mehr Asthmaanfällen führen. Und allgemein altert man schneller», so Anita Vonmont.
Was sind die Konsequenzen dieser Verschärfung? Die Wissenschaftsredaktorin vermutet nur kleine Folgen. In der EU ständen die Chancen zurzeit nicht schlecht, dass die ambitionierten neuen Grenzwerte gesetzlich verankert werden. «Das EU-Parlament hat diesen Frühling in einem Beschluss festgehalten, dass die EU-Luftqualitätsnormen im Sinne der neusten WHO-Empfehlungen aktualisiert werden müssten.» Ende nächstes Jahr könnte diese Anpassung passieren, falls nicht wieder dasselbe passiert wie bei den WHO-Leitlinien zur Luftqualität vor 15 Jahren. «Damals hat die EU auf Druck der Industrie die WHO-Empfehlungen stark verwässert.»
Wie sieht es in der Schweiz aus? Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern, die die WHO-Empfehlungen bisher umgesetzt haben. Nino Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut, der bei den neuen WHO-Empfehlungen mitgewirkt hat, schätzt, dass auch die neuen, schärferen Empfehlungen in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Dies umso mehr, als hierzulande die Rahmenbedingungen auch technologisch gut sind.
Wie könnten sich reichere Länder engagieren? Gut situierte Länder mit einigermassen sauberer Luft könnten laut Nino Künzli einiges mehr tun, um die Kluft zu armen Ländern mit starker Luftverschmutzung zu verringern. «Speziell die reichen Länder wie die Schweiz halten sich à jour mit der neuesten Technik», so die Wissenschaftsredaktorin Vonmont. «Sie exportieren ihre alten Dreckschleudern von Autos nach Afrika oder Asien. Da könnten sich die reichen Länder und eben auch die Schweiz noch mehr engagieren.»