Darum geht es: Der Fall der vermissten chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai dreht weitere Kreise. In China veröffentlichten die Staatsmedien eine E-Mail, die angeblich von ihr stammt. Die Berichte über sie, «einschliesslich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung», seien «nicht wahr», hiess es darin. Ihr gehe es gut, sie habe sich nur zu Hause ausgeruht. Die angebliche Nachricht von Peng Shuai wirft nach Ansicht des Welt-Frauentennisverbands (WTA) jedoch mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Peng Shuai hatte Chinas früherem Vize-Ministerpräsidenten Zhang Gaoli Vergewaltigung vorgeworfen. Seitdem gilt sie als vermisst.
Deshalb sind Zweifel angebracht: «Der Text schaut aus, als ob er ganz plump gefälscht wurde», sagt Steffen Wurzel vom ARD-Büro in Schanghai. Sowohl die Tatsache, dass der Text vom staatlichen chinesischen Auslandsfernsehen CGTN veröffentlicht wurde als auch sein Inhalt wirke alles andere als authentisch. So werde am Ende des Textes etwa auch Werbung für den chinesischen Tennissport gemacht. «Online sprechen viele Beobachter von Realsatire», so Wurzel. Während des Verfassens des Textes sei offenbar ein Screenshot gemacht worden, der dann auf Twitter veröffentlicht worden sei. Denn auf dem auf Twitter veröffentlichten Bild sei sogar noch der Cursor zu sehen.
So reagiert die Regierung auf die Vorwürfe: Bislang hat sich die chinesische Regierung nicht dazu geäussert, ob sie die Vergewaltigungsvorwürfe von Peng Shuai prüft. Auf entsprechende Fragen von ausländischen Journalisten, etwa bei Medienkonferenzen, sei bislang niemand eingegangen, sagt Wurzel. «Das zeigt, dass es ein hochsensibles Thema ist.» Er gehe aber schon davon aus, dass die Anschuldigungen hinter den Kulissen untersucht würden – davon aber nichts nach aussen dringen soll. Entsprechend sei das Ganze in den chinesischen Medien kein Thema – und was über soziale Medien von aussen nach China komme, werde zensiert.
Darum verschwinden Prominente: Peng Shuais Verschwinden aus der Öffentlichkeit ist keineswegs ein Einzelfall. In China verschwinden zwischenzeitlich immer wieder bekannte Persönlichkeiten, nachdem sie sich kritisch geäussert haben. «China ist kein Rechtsstaat und sehr intransparent», sagt der ARD-Korrespondent. Was mit den Betroffenen genau geschehe, sei deshalb ziemlich undurchsichtig. In manchen Fällen reiche wohl eine Drohung des Staatssicherheitsdienstes, sich zurückzuhalten und sich vorübergehend aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, damit der betreffenden Person und ihrer Familie nichts passiere.
China will unterbinden, dass #metoo sich zu einer zivilgesellschaftlichen Bewegung entwickelt.
Das lehrt uns die Affäre: Zwar habe #metoo auch in China in den letzten Jahren eine Rolle gespielt und zahlreiche Prominente seien ins Zwielicht geraten oder sogar angeklagt worden, so Wurzel. Neu sei aber, dass es jetzt um schwere Vorwürfe gegen ein Top-Kader-Mitglied der Partei gehe. «China nimmt Vorwürfe von sexuellen Übergriffen sicher ernst – aber man will unterbinden, dass #metoo sich zu einer zivilgesellschaftlichen Bewegung entwickelt», sagt der ARD-Korrespondent. Auch zeige die Affäre, dass es ein «absolutes Tabu» sei, die Staats- und Parteiführung auch nur ansatzweise zu kritisieren. «Da wird man umgehend aus dem Verkehr gezogen.»