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Verteilschlüssel für Migranten «Was hier vorgesehen ist, überzeugt nicht wirklich»

Am EU-Innenministertreffen, an dem auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter teilnehmen wird, werden die Minister beim Mittagessen zum ersten Mal über die Malta-Vereinbarung diskutieren. Dabei handelt es sich um eine Übergangslösung zur Verteilung von Bootsmigranten aus dem Mittelmeer. Am Dienstag wird zwar noch kein Durchbruch erwartet, doch äusserten mehrere EU-Diplomaten die Hoffnung, dass einige Staaten ihre Beteiligung an der Umverteilung ankündigen könnten.

Vor dem Treffen der Innenminister hat SRF mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter gesprochen.

Karin Keller-Sutter

Bundesrätin

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Karin Keller-Sutter ist seit dem 1. Januar 2019 Mitglied des Bundesrats und seit 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Die St. Gallerin wurde 1963 geboren, ist ausgebildete Dolmetscherin und Mittelschullehrerin. Bis 2000 arbeitete sie als selbständige Übersetzerin und Lehrbeauftragte einer Berufsschule. Von 2000 bis 2012 war die FDP-Politikerin Regierungsrätin des Kantons St. Gallen. Von 2011 bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat war Keller-Sutter im Ständerat.

SRF: Macht die Schweiz beim Verteilschlüssel mit, der in Malta vorgeschlagen wurde?

Karin Keller-Sutter: Ich gehe davon aus, dass heute eine breite Diskussion über die verschiedenen Migrationsrouten und Modelle stattfinden wird. Und ich glaube noch nicht, dass dieses System wie es jetzt vorgeschlagen wird, mehrheitsfähig ist. Es ist auch mit Mängeln behaftet.

Der deutsche Innenminister Seehofer hat gesagt, es ist der kleine Beginn zu einer grossen Reform im europäischen Asylwesen. Will sich die Schweiz dem verschliessen?

Nein. Wir haben immer gesagt, dass wir für Solidarität sind. Dafür stehen wir auch mit Taten ein. Grundsätzlich sind wir für einen Verteilschlüssel, aber was hier vorgesehen ist, überzeugt nicht wirklich. Weil auch Personen auf ganz Europa verteilt werden, von denen man annehmen muss, dass sie keine Asylgründe haben. Ich spüre sehr viel Skepsis unter den EU-Mitgliedstaaten. Wir begrüssen aber, dass die Diskussion angestossen und geführt wird.

Wäre es nicht ein Zeichen in Sachen Solidarität gegenüber Italien?

Einerseits zeigten wir bereits viel Solidarität mit Italien und arbeiten viel mit unserem Nachbarland zusammen. Nächstes Wochenende treffe ich die italienische Ministerin, um bilaterale Gespräche zwischen der Schweiz und Italien zu führen. Aber wenn wir neue Mechanismen einführen, müssen sie dauerhaft sein und auch den anderen Migrationsrouten Rechnung tragen. Wie etwa jener über Griechenland, die wirklich Probleme bereitet. Ausserdem muss man an Spanien denken. Ich denke, es muss sich ein globales System finden, das auch den Staaten hilft, die am stärksten betroffen sind. Und ich glaube, am stärksten betroffen ist derzeit Griechenland.

Das «Malta-Papier»

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«Sea-Watch 3», «Open Arms» oder «Ocean Viking» sind nur drei jener Rettungsschiffe mit Bootsflüchtlingen, die wochenlang im Mittelmeer festsassen, weil Italien und Malta ihre Häfen blockierten. Die beiden Länder fühlten sich alleine gelassen und verlangten, dass andere EU-Staaten Bootsflüchtlinge übernehmen.

Auf Umverteilung geeinigt

Ende September einigten sich Deutschland, Frankreich, Italien und Malta schliesslich darauf, die auf dem Mittelmeer aufgegriffenen Asylsuchenden umzuverteilen – koordiniert durch die EU-Kommission. Deutschland sagte bereits zu, ein Viertel der Asylsuchenden aufzunehmen. Frankreich nannte bis jetzt noch keine Zahlen.

Gemäss dieser Malta-Vereinbarung handelt es sich bei der Umverteilung um ein Pilotprojekt, das «für eine Zeitdauer von mindestens sechs Monate» gelten soll. Dann kann es erneuert oder «im Falle eines Missbrauchs durch Dritte» sofort beendet werden. Hierbei sind vor allem Schlepper gemeint.

Keinen neuen «Pull-Faktor»

Man wolle unter keinen Umständen mit diesem temporären Mechanismus einen neuen «Pull-Faktor schaffen» und Anreize für «neue irreguläre Wege an die europäischen Küsten» öffnen, heisst es im Papier. Sollte ausserdem die Zahl der umverteilten Personen «während dieser sechs Monaten substantiell ansteigen», würden die Teilnehmerstaaten sofort zusammenzukommen. Während dieser Zeit, kann dann der Mechanismus ausgesetzt werden.

Auch darüber, wie die Umverteilung konkret ausgestaltet werden soll, haben sich die vier Staaten geeinigt. So sollen all jene umverteilt werden, die Asyl beantragen. Ob sie dazu berechtigt sind oder nicht, soll erst im Aufnahmeland geprüft werden.

Vor der Umverteilung werden lediglich eine Sicherheitsprüfung und eine erste medizinische Untersuchung durchgeführt. Dies soll aber «nicht länger als vier Wochen» dauern.

«Effektive und schnelle Rückkehr»

Für jene, die in Europa nicht asylberechtigt sind, solle eine «effektive und schnelle Rückkehr» gewährleistet werden, heisst es in der Vereinbarung weiter. Dazu soll entsprechend auf die Herkunftsstaaten der Migranten Einfluss genommen werden.

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