Worte zu finden, wofür es keine gibt – das versucht der 47-jährige israelische Autor Bar Haffetz: Er lebte in einem von der Hamas angegriffenen Kibbuz. Seither schreibt er über seine Gefühle und Beobachtungen seit dem 7. Oktober.
Zwischen dem Kibbuz Nirim und dem Gazastreifen liegen rund zwei Kilometer. Heffetz schreibt dazu: «Ich dachte keinen Moment lang, dass wir hier die Schweiz sein würden. Ich wusste immer, wer auf der anderen Seite lebt. Die Frage ist, wie sich unser Staat verhält, was wir von ihm erwarten.»
Die Hamas tötete mindestens fünf Menschen, verletzte Dutzende, hinterliess eine Spur der Verwüstung im Kibbuz Nirim.
Haffetz' 95-jährige Grossmutter entging nur knapp dem Tod. Ein Terrorist stürmte ihr Haus und verlangte Geld. Die philippinische Pflegerin der Grossmutter gab ihm ihre Ersparnisse und flehte den Bewaffneten an, die alte Frau nicht zu töten. Der Bewaffnete liess die beiden am Leben.
Sicherheit statt Frieden
Für den Avocado-Bauer ist klar, dass sich Israel in falscher Sicherheit wiegte. Der Friede wurde laut ihm vernachlässigt. Lieber investierte die Politik in Sicherheitstechnologie statt in die Suche nach langfristigen Lösungen: «In den letzten 20 Jahren hat sich unser Land verliebt in Schutz und Sicherheit, in die Raketenabwehr ‹Iron Dome›, in die Sicherung von Schulen und Strassen, und in Evakuierungen. Viele Evakuierungen, und Sperrgebiete, usw. Darauf hat sich unser Land konzentriert. Statt auf die Schaffung von Frieden. Frieden schafft man mit Vereinbarungen, die auch durchgesetzt werden.»
Darauf hat sich unser Land konzentriert. Statt auf die Schaffung von Frieden.
Bar Haffetz und seine Kinder wurden zusammen mit den anderen Überlebenden in Hotels evakuiert. Bis heute konnten sie, wie Zehntausende andere Israeli aus dem Süden und dem Norden des Landes, nicht zurückkehren.
Die Menschen der acht Kibbuzim, in welche die Hamas am 7. Oktober einfiel, sind mehrheitlich regierungskritisch. Sie demonstrieren seit Monaten für die Freilassung ihrer Familienangehörigen, welche die Hamas als Geiseln nahm, und für Neuwahlen.
Als die rechtsnationalistische Ministerin Miri Regev mutmasste, die Demonstrierenden würden von der islamistischen Hisbollah im Libanon finanziert, schrieb Bar Heffetz bissig ironische Zeilen (in der Textbox) und veröffentlichte sie auf Facebook:
Bar Haffetz trifft mit seinen Texten einen Nerv bei Jungen, bei der Kibbuz-Bevölkerung, und bei allen, die Premier Benjamin Netanjahu und seine rechtsradikale-ultrareligiöse Koalition mitverantwortlich machen für das Versagen der Landesverteidigung am 7. Oktober.
Es gibt keine Perspektive für unsere Zukunft. Wir wissen nicht, wann und wie wir nach Hause können. Und das ist ein grosses Problem.
Wann die Vertriebenen im eigenen Land zurückkehren können in ihr Kibbuz, hange einerseits vom Verlauf des Gazakrieges ab, sagt Bar Heffetz. Anderseits aber auch von der Regierung, die keine Eile zeigt, die zerstörten Kibbuzim wiederaufzubauen.
Heffetz, seine Freundin Tal und seine Kinder wohnen in einer temporären Wohnung in Beersheba. Tagsüber geht Bar Haffetz in den Kibbuz Nirim, um sich um seine Avocados zu kümmern: «Es gibt keine Perspektive für unsere Zukunft. Wir wissen nicht, wann und wie wir nach Hause können. Und das ist ein grosses Problem.»
Kürzlich beschrieb der palästinensische Schriftsteller Akram Al Sorani den grauenhaften Kriegsalltag in Gaza.