Die Schweiz übernahm am 1. Mai das Präsidium des UNO-Sicherheitsrats von Russland. Das war ein Vorteil und ein Nachteil zugleich. Der Vorteil: Weil Moskau mehrfach egoistische Interessen verfolgt hatte, wurde es entsprechend kritisiert. Entsprechend hoch war die Erwartung, die Schweiz werde das fairer machen.
Der Nachteil: Manche Länder wollten Themen nicht während der russischen Präsidentschaft einbringen und verschoben das auf den Mai. Dieser im UNO-Kalender ohnehin befrachtete Monat wurde dadurch noch intensiver.
Ein ehrlicher Makler
Dem UNO-Sicherheitsrat vorzusitzen, ist keine Gelegenheit zur Selbstprofilierung. Das Präsidium ist eine dienende Funktion. Es soll dem Rat erlauben, professionell, nüchtern und effizient zu arbeiten. Erst recht angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen.
Das Vorsitzland sollte als ehrlicher Makler auftreten, alle fünfzehn Sicherheitsratsmitglieder einbeziehen sowie intensiv und transparent kommunizieren – im Rat selber, mit den übrigen UNO-Mitgliedsländern und gegenüber der Öffentlichkeit.
Die Themenpalette im Mai war enorm breit – von der Ukraine bis zum Südsudan, von Syrien bis Myanmar, vom Gazastreifen über Jemen bis zur Sahelzone. Es ging um Chemiewaffen, Blauhelme oder die Sicherheit des russisch besetzten Atomkraftwerks in Saporischja. Noch in den allerletzten Minuten des Schweizer Vorsitzes wurden hinter den Kulissen Nordkorea und sein Spionagesatellitenprojekt diskutiert. Alles schwierige Themen.
Neutralität spielte keine Rolle
Zwei mögliche grosse Konfrontationen blieben der Schweiz hingegen erspart: Weil das syrische Regime von sich aus zustimmte, Grenzübergänge für humanitäre Hilfe im Norden des Landes vorläufig offenzulassen, fiel eine erneute Auseinandersetzung dazu mit Russland im UNO-Sicherheitsrat aus. Und weil Moskau die Verlängerung Getreideabkommens billigte, das ukrainische Exporte erlaubt, führte auch diese Thematik nicht zu bitterem Streit im Sicherheitsrat.
Und wie stand es um die Neutralität der Schweiz? Sie spielte während des Vorsitzmonats schlicht keine Rolle. In keinem einzigen Fall war die Schweiz irgendwie eingeschränkt in ihrem Verhalten. Sie hatte von vornherein klargemacht, ihr Verhalten im Sicherheitsrat orientiere sich nicht an den Positionen einzelner Staaten, vielmehr am Völkerrecht und der UNO-Charta. Damit fuhr die Schweiz offenkundig gut.
Unspektakulär, pannenfrei, erfolgreich
Ein paar eigene Akzente konnte die Schweiz doch setzen: Etwa mit einer Sondersitzung zum nachhaltigen Frieden, die Aussenminister Ignazio Cassis leitete. Oder bei einer weiteren zum Schutz der Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten, für die Bundespräsident Alain Berset nach New York reiste. Verteidigungsministerin Viola Amherd präsidierte zudem eine Sitzung zum Thema Blauhelme.
Entscheidend dabei: Bringt das Vorsitzland eigene Themen aufs Tapet, sollte es sich um solche handeln, die auch die übrigen vierzehn Sicherheitsratsmitglieder als bedeutsam erachten. Das erhöht die Akzeptanz und die globale Aufmerksamkeit.
Insgesamt: Die Schweiz brachte ihren Vorsitzmonat unspektakulär und pannenfrei über die Bühne. Bereits das gilt im UNO-Getriebe, in dem es derzeit überall knarrt und stottert, als Erfolg.