Worum geht es? In Norwegen will die konservative Ministerpräsidentin Erna Solberg das Abtreibungsrecht verschärfen. Sie versucht damit, die christliche Partei in der wackeligen Koalition zu behalten. Auch in Schweden und Finnland sind Vorstösse hängig, die in eine ähnliche Richtung gehen. Derzeit ist in Dänemark und Norwegen eine Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt – gleich wie in der Schweiz. In Schweden ist sie bis zur 18. Woche möglich.
Warum flammt die Debatte wieder auf? In Skandinavien wurde das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, seit den Siebzigerjahren kaum noch infrage gestellt. Dass das Thema nun wieder aufs Tapet komme, habe zwei Gründe, sagt SRF-Skandinavien-Mitarbeiter Bruno Kaufmann. Der eine sei der Machtgewinn nationalkonservativer Parteien in nordischen Ländern.
Es ist eine neue Generation von Politikerinnen und Politikern, die sich jetzt in diese Diskussion hineinbegeben.
«Der andere ist, dass die medizinische Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass die pränatalen Untersuchungsmöglichkeiten heute viel grösser sind.» Die Grenzen des Abtreibungsrechts stehen im Zentrum der aktuellen Debatte. Denn über das Überleben von Embryos und Babys können heute viel früher gesichertere Aussagen gemacht werden als noch vor 40 bis 50 Jahren.
Hat ein Meinungsumschwung stattgefunden? «Nicht wirklich», sagt Kaufmann. In konservativen, christlichen Kreisen sei man immer dezidiert gegen dieses Abtreibungsrecht gewesen. «Und jetzt verändern sich die politischen und technologischen Rahmenbedingungen.» Diese Kräfte hätten auf einen solchen Moment gewartet. «Und der ist jetzt eben gekommen.»
Das wird ein Punkt sein, mit dem konservative Kreise versuchen werden, auf Stimmenfang zu gehen.
Da viele Menschen heute später Kinder bekommen, wollen sie die Möglichkeiten der Medizin nutzen, um zu erfahren, ob ihr Kind gesund ist. «Das führt zu Diskussionen über Themen wie etwa Babydesign», so Kaufmann, und zur Frage, wie weit das freie Recht auf Abtreibung ausgeübt werden darf.
Ist eine Verschärfung des Gesetzes realistisch? Anders als in anderen Ländern – wie etwa in Irland, wo noch bis im Mai ein Abtreibungsverbot galt – handelt es sich in Skandinavien nicht um eine schwarz-weiss geführte Diskussion. Aber Teile des Gesetzes stehen nun wieder zur Disposition: Welche Grenzen sollen gezogen werden? Welche Regeln sollen eingehalten werden? «Wir werden in den nächsten Jahren noch viel über diese Frage hören», glaubt Kaufmann. «Und sicherlich wird es auch ein Punkt sein, mit dem konservative Kreise versuchen werden, im Vorfeld von Wahlen auf Stimmenfang zu gehen.»