«Wir sind nicht rechts, wir sind Bürger. Wir sind Bürger!», skandieren die Menschen vor dem Kreisgebäude in Nordwestmecklenburg. Es sind Einwohnerinnen und Einwohner aus Upahl, die sich nicht in die rechtsextreme Ecke gedrängt sehen wollen. Doch sie fühlen sich überfahren.
Wir haben Angst, dass wir überrannt werden.
«Es ist ja auch richtig, dass man hilft. Aber die grosse Menge ist für unser kleines Dorf einfach zu viel. Wir haben Angst, dass wir überrannt werden», sagt Renate Rahn, die ihr ganzes Leben in Upahl verbracht hat. Im Dorf, gut 20 Kilometer südwestlich der Hansestadt Wismar an der Ostseeküste, gibt es weder eine Bäckerei noch einen Bankomaten. Zahlreich sind hier nur die vielen Protestnoten. Auf Holzschildern und Leintüchern drückt sich das ganze Unbehagen, die Angst vor dem Unbekannten, dem Fremden aus.
Vor vollendeten Tatsachen
Dass in Upahl eine Asylunterkunft gebaut wird, hat vor drei Wochen der Kreistag in einem Eilantrag beschlossen. Das 30'000 Quadratmeter grosse Landstück im Gewerbegebiet, keine 500 Meter von den aufgeräumten Einfamilienhäusern des Dorfs weg, ist bereits planiert. Nächste Woche werden die ersten Container geliefert.
400 Geflüchtete sollen ab März einziehen, vor allem Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan. Die Gemeinde sei weder vorab informiert noch gefragt worden, ärgert sich Werner Pitschke. «Wo bleibt die Demokratie?», steht auf dem Leintuch, das am Gartentor seines Hauses hängt.
Landrat Tino Schomann (CDU) räumt ein, dass alles sehr kurzfristig entschieden worden sei. Doch seit die Flüchtlingszahlen rasant zunehmen, müsse er jede Woche 20 bis 30 Menschen irgendwo unterbringen. Die Gemeinschaftsunterkunft in Wismar mit 340 Plätzen sei voll. Seit November werden auch die Sporthallen zur Unterbringung genutzt.
400 Geflüchtete auf 500 Einwohner, das passt natürlich nicht.
«400 Geflüchtete auf 500 Einwohner, das passt natürlich nicht», gibt Schomann zu. Aber das Landstück gehört dem Landkreis und eine Option auf eine Container-Lieferung lief Ende Januar aus. «Wir wussten nicht, wann wir die nächsten Container bekommen, die Lieferfristen liegen bei 10 bis 12 Wochen.»
Proteste reissen nicht ab
In eiligst einberufenen Bürgerversammlungen versuchten die Behörden, die Wogen zu glätten. Doch viele Fragen blieben offen. Wie viele Menschen dann wirklich kommen, wie lange sie bleiben, wie die Betreuung der Geflüchteten aussehen wird. «Wir haben hier die Integration nicht, die sie eigentlich verdienen. Sei es schulisch oder um unsere Sprache lernen zu können», ist Anwohner Bernd Wien überzeugt. Er fordert von der Regierung einen Aufnahmestopp.
Es sind Forderungen, die bei Landrat Tino Schomann auf Anklang stossen. Man müsse die Gesellschaft mitnehmen, damit die Akzeptanz, die Bereitschaft zu helfen, nicht verloren gehe. «Es ist das Schlimmste, in einer Demokratie keine Perspektive zu haben», betont Schomann. Man müsse steuern und begrenzen. «Das muss der Bund tun.»
Der von Innenministerin Nancy Faeser organisierte Flüchtlingsgipfel am Donnerstag war jedoch unergiebig. Länder, Städte und Gemeinden erhalten keine weiteren Hilfen, werden mit Floskeln und Banalitäten hingehalten. So werden die Proteste nicht abreissen. Nicht in Upahl, nicht anderswo.