«Wird er doch noch zum Panzer-Kanzler?», titelt die deutsche «Bild»-Zeitung am Morgen. Gemünzt ist die Frage auf Olaf Scholz, der die Ukraine nach monatelangem Widerstand nun doch mit deutschen Schützenpanzern ausrüsten will. Bisher schien eine direkte Lieferung solcher Panzer an die Ukraine Tabu – obwohl Kiew lange darum gebeten hatte.
Macht sich die «Zeitenwende» im deutsch-russischen Verhältnis, die Kanzler Scholz bei Kriegsausbruch beschworen hatte, nun noch unmittelbarer auf dem Schlachtfeld bemerkbar?
«Marder» markiert Kurswechsel
Stefan Reinhart, SRF-Korrespondent in Berlin, spricht von einem sehr grossen Schritt für die deutsche Regierung. «Bisher hat sich Kanzler Scholz immer dagegen gewehrt, mit westlichen Waffensystemen quasi am Ukraine-Krieg teilzunehmen.»
Die Ukraine hatte die westlichen Alliierten und insbesondere Deutschland monatelang um Kampf- und Schützenpanzer gebeten. Scholz hatte immer wieder betont, dass Deutschland in dieser Frage nicht im Alleingang handeln werde und darauf verwiesen, dass bisher kein anderes Nato-Land solche Panzer in die Ukraine geschickt habe.
Tabubruch in der Panzerfrage
Bislang setzte Berlin auf den «Ringtausch»: Osteuropäische Nato-Länder schickten Panzer aus sowjetischer Produktion in die Ukraine, dafür wurden die Länder mit westlicher Technik alimentiert. Jetzt gibt es erstmals eine direkte Lieferung von westlichen Panzern ins Kriegsgebiet.
Scholz machte den Schritt nach einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden publik. Auch Washington liefert nun erstmals Schützenpanzer, und zwar des Typs Bradley, für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Berlin stellt der Ukraine zudem ein Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung.
Dass Deutschland in der Panzerfrage von seinem bisherigen Kurs abweicht, erklärt Reinhart auch mit dem grossen Druck vonseiten seiner Nato-Partner. So hatte der französische Präsident Emmanuel Macron der Ukraine bereits am Mittwoch schwer bewaffnete Spähpanzer zugesagt. Gleichzeitig stellte Biden die Schützenpanzer in Aussicht.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski dankte Scholz und Biden für die angekündigten Waffenlieferungen. «Wir werden noch ein Patriot-System und mächtige Panzertechnik bekommen, das ist wirklich ein grosser Sieg für unseren Staat», sagte Selenski in seiner Videoansprache in der Nacht zum Freitag. Auf Twitter bedankte sich Selenski direkt bei der Regierung in Berlin – auf Deutsch:
Abschliessend relativiert der SRF-Korrespondent zwar: Seine letzte Vorsicht bei der Unterstützung der Ukraine lege Deutschland zwar nicht ab. «Denn ein Schützenpanzer ist noch kein Kampfpanzer.»
Schickt Deutschland bald auch Kampfpanzer?
Schützenpanzer sind nicht so schwer bewaffnet wie Kampfpanzer, doch auch sie kommen an vorderster Front zum Einsatz. Der «Marder» kann etwa feindliche Infanterie und gepanzerte Fahrzeuge bekämpfen. Kampfpanzer wie der deutsche Leopard dagegen können auch andere Panzer zerstören oder feindliche Stellungen erobern.
Den letzten Schritt habe Scholz also noch nicht gemacht, schliesst Reinhart. «Die Frage ist, wie gross der Druck wird, auch Kampfpanzer zu liefern.» Aber: «Die Lieferung von Schützenpanzern bleibt ein grosser Schritt für den Kanzler und für Deutschland.»