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Ukraine: Streit zwischen Regierung und orthodoxer Kirche
Aus Echo der Zeit vom 30.12.2022. Bild: Keystone/ EFREM LUKATSKY
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Debatte um Datum In der Ukraine wird Weihnachten zum Politikum

Traditionell wird in der Ukraine am 7. Januar Weihnachten gefeiert. Doch viele im Land stellen den Brauch nun infrage.

Warum kommt in der Ukraine Weihnachten erst jetzt? Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer hängen dem orthodoxen Christentum an. In vielen Ostkirchen, darunter in der ukrainischen, gilt der julianische Kalender. Dieser läuft dem gregorianischen Kalender, der bei uns gebräuchlich ist und auch in der Ukraine im Alltag gilt, um 13 Tage nach. Darum feiern ukrainische Orthodoxe am (gregorianischen) 7. Januar – nach dem julianischen Kalender ist dann der 25. Dezember, der Weihnachtstag.

Putin ordnet Feuerpause über orthodoxe Weihnachten an

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Angesichts des bevorstehenden orthodoxen Weihnachtsfests hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine anderthalbtägige Feuerpause in der Ukraine angeordnet. Putin wies das russische Verteidigungsministerium an, von Freitagmittag bis in die Nacht auf Sonntag die Kampfhandlungen im Nachbarland einzustellen, wie aus einer Kreml-Mitteilung hervorgeht.

Warum streitet man jetzt über diesen Feiertag? Seit Jahren feiern einige Ukrainerinnen und Ukrainer auch «westliche» Weihnachten am 25. Dezember. Über einen Datumswechsel wird schon länger diskutiert. Die Debatte hat jedoch mit Russlands Invasion erheblich an Fahrt gewonnen, denn: Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche feiert am 7. Januar. Von der Kultur des Angreifers wollen sich viele in der Ukraine nun abgrenzen, stattdessen solle man sich am Westen orientieren. Auch das Weihnachtsfest müsse Teil dieses Wandels sein, finden viele.   

Prunkvoll gekleidete Priester tragen Kleinodien durch ein von Kerzen beleuchtetes Kloster.
Legende: Traditionell feiern ukrainische Orthodoxe im Januar Weihnachten, wie hier im Jahr 2010. Keystone

Sind die russische und ukrainische orthodoxe Kirche nicht eng miteinander verbunden? Die Orthodoxie in der Ukraine ist gespalten: Die sogenannte «Ukrainisch-Orthodoxe Kirche» untersteht dem Patriarchat in Moskau; die «Orthodoxe Kirche der Ukraine» ist von der russischen Kirche unabhängig. Der Krieg hat den Konflikt zwischen den Kirchen verschärft – obwohl die Russland-nahe Ukrainisch-Orthodoxe Kirche die Invasion verurteilt und sich vom Moskauer Patriarchen Kirill, einem Verbündeten Wladimir Putins, distanziert hat.   

Patriarch im Dienste Putins

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Legende: Kirill I. Der Moskauer Patriarch unterstützt den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Keystone

Kirill I., Oberhaupt des Moskauer Patriarchats, gilt als enger Verbündeter des russischen Präsidenten. Seit Jahren hilft er, der anti-westlichen Propaganda der Regierung einen religiösen Anstrich zu geben. So auch beim Überfall auf die Ukraine, den Kirill als Kampf gegen «die Kräfte des Bösen» bezeichnet, die in der Ukraine etwa Gay-Pride-Paraden veranstalteten.

Kirill, mit Bürgernamen Wladimir Gundjajew, war als junger Priester für den sowjetischen Geheimdienst tätig. Seine Rolle im System Putins erlaubt ihm ein Leben im Luxus: Unabhängige russische Journalisten schätzen sein Vermögen auf etwa vier Milliarden Dollar.

Zum orthodoxen Weihnachtsfest hat Kirill zu einer Waffenruhe im «internen Konflikt» zwischen Russland und der Ukraine aufgerufen.

Wie beliebt ist die Idee, Weihnachten zu verschieben? Die Debatte ist mitten in der ukrainischen Gesellschaft angekommen. Selbst beim Einkaufen entgeht man ihr nicht: «Vielleicht haben Sie schon gefeiert», schreibt etwa ein ukrainischer Baumarkt zu den Weihnachtsartikeln in seinem Onlineshop. «Der Krieg ruft Ablehnung gegenüber allem Russischen hervor, was ganz normal ist.» Bei einer Umfrage sprachen sich rund 60 Prozent für einen Datumswechsel aus. Beim Thema zeigt sich allerdings ein Generationengraben: Jüngere tendieren zum «westlichen» Weihnachtsdatum, während ältere Menschen eher am 7. Januar festhalten.

Grosse sowjetische Stahlstatue einer Frau mit Schwert ist mit dem ukrainischen Staatswappen beleuchtet.
Legende: Am 25. Dezember erhielt die Mutter-Heimat-Statue in Kiew eine Beleuchtung vom Schweizer Lichtkünstler Gerry Hofstetter. Keystone

Kommt es also zum offiziellen Datumswechsel? Den 25. Dezember erklärte die ukrainische Regierung bereits 2017 zum offiziellen Feiertag, neben dem 7. Januar. 2022 hat nun die von Russland unabhängige Orthodoxe Kirche der Ukraine erstmals seinen Diözesen erlaubt, am 25. Dezember Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. Doch selbst das sehr Russland-kritische Kirchenoberhaupt, Metropolit Epiphanius, findet, bei einem offiziellen Wechsel dürfe es nicht zu schnell gehen.

Wie wollen sich Ukrainerinnen und Ukrainer sonst von Russland abgrenzen? Der Wunsch eines Teils der ukrainischen Bevölkerung, sich von russischer Kultur komplett loszusagen, beschränkt sich nicht nur auf Traditionen. Seit dem russischen Grossangriff wird die Daseinsberechtigung von Denkmälern für russische Figuren wie Alexander Puschkin oder Katharina der Grossen infrage gestellt. Zudem bevorzugen es viele Ukrainerinnen und Ukrainer, nur noch Ukrainisch zu sprechen – selbst solche, die russischsprachig aufgewachsen sind.

Zwei bärtige Priester in goldig verzierten Gewändern stehen in einer prunkvoll dekorierten Kirche.
Legende: Ukrainisches Kirchenoberhaupt Metropolit Epiphanius (rechts) führt die Orthodoxe Kirche der Ukraine an. Keystone

SRF 4 News, 05.01.2023, 16 Uhr

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