Warum kommt in der Ukraine Weihnachten erst jetzt? Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer hängen dem orthodoxen Christentum an. In vielen Ostkirchen, darunter in der ukrainischen, gilt der julianische Kalender. Dieser läuft dem gregorianischen Kalender, der bei uns gebräuchlich ist und auch in der Ukraine im Alltag gilt, um 13 Tage nach. Darum feiern ukrainische Orthodoxe am (gregorianischen) 7. Januar – nach dem julianischen Kalender ist dann der 25. Dezember, der Weihnachtstag.
Warum streitet man jetzt über diesen Feiertag? Seit Jahren feiern einige Ukrainerinnen und Ukrainer auch «westliche» Weihnachten am 25. Dezember. Über einen Datumswechsel wird schon länger diskutiert. Die Debatte hat jedoch mit Russlands Invasion erheblich an Fahrt gewonnen, denn: Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche feiert am 7. Januar. Von der Kultur des Angreifers wollen sich viele in der Ukraine nun abgrenzen, stattdessen solle man sich am Westen orientieren. Auch das Weihnachtsfest müsse Teil dieses Wandels sein, finden viele.
Sind die russische und ukrainische orthodoxe Kirche nicht eng miteinander verbunden? Die Orthodoxie in der Ukraine ist gespalten: Die sogenannte «Ukrainisch-Orthodoxe Kirche» untersteht dem Patriarchat in Moskau; die «Orthodoxe Kirche der Ukraine» ist von der russischen Kirche unabhängig. Der Krieg hat den Konflikt zwischen den Kirchen verschärft – obwohl die Russland-nahe Ukrainisch-Orthodoxe Kirche die Invasion verurteilt und sich vom Moskauer Patriarchen Kirill, einem Verbündeten Wladimir Putins, distanziert hat.
Wie beliebt ist die Idee, Weihnachten zu verschieben? Die Debatte ist mitten in der ukrainischen Gesellschaft angekommen. Selbst beim Einkaufen entgeht man ihr nicht: «Vielleicht haben Sie schon gefeiert», schreibt etwa ein ukrainischer Baumarkt zu den Weihnachtsartikeln in seinem Onlineshop. «Der Krieg ruft Ablehnung gegenüber allem Russischen hervor, was ganz normal ist.» Bei einer Umfrage sprachen sich rund 60 Prozent für einen Datumswechsel aus. Beim Thema zeigt sich allerdings ein Generationengraben: Jüngere tendieren zum «westlichen» Weihnachtsdatum, während ältere Menschen eher am 7. Januar festhalten.
Kommt es also zum offiziellen Datumswechsel? Den 25. Dezember erklärte die ukrainische Regierung bereits 2017 zum offiziellen Feiertag, neben dem 7. Januar. 2022 hat nun die von Russland unabhängige Orthodoxe Kirche der Ukraine erstmals seinen Diözesen erlaubt, am 25. Dezember Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. Doch selbst das sehr Russland-kritische Kirchenoberhaupt, Metropolit Epiphanius, findet, bei einem offiziellen Wechsel dürfe es nicht zu schnell gehen.
Wie wollen sich Ukrainerinnen und Ukrainer sonst von Russland abgrenzen? Der Wunsch eines Teils der ukrainischen Bevölkerung, sich von russischer Kultur komplett loszusagen, beschränkt sich nicht nur auf Traditionen. Seit dem russischen Grossangriff wird die Daseinsberechtigung von Denkmälern für russische Figuren wie Alexander Puschkin oder Katharina der Grossen infrage gestellt. Zudem bevorzugen es viele Ukrainerinnen und Ukrainer, nur noch Ukrainisch zu sprechen – selbst solche, die russischsprachig aufgewachsen sind.