An Traditionen wie Weihnachten festzuhalten, gibt in Kriegszeiten Halt und bringt Routine in ein Leben unter schwierigen Umständen. Auch an der Front feiern Soldatinnen und Soldaten Weihnachten und Neujahr, wenn auch in bescheidenem Umfang und nicht gemäss aller Bräuche.
Das Unglück kam am 24. Februar in unser Haus und seither tragen wir keine helle Kleidung und kämpfen gegen dunkle Mächte.
Diese besonderen Umstände hat auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in seiner Gratulation für die orthodoxen Christen in der Ukraine gewürdigt, als er sagte, dass in diesem Jahr mit Traditionen gebrochen werden müsse, um sie erhalten zu können. «Während der Feiertage darf traditionell keine dunkle, alte und ausgetragene Kleidung getragen werden, um zu verhindern, dass Unglück ins Haus kommt. Doch das Unglück kam am 24. Februar in unser Haus und seither tragen wir keine helle Kleidung und kämpfen gegen dunkle Mächte.»
Angesichts des Kampfes gegen die russische Armee sind längst nicht alle an der Front wirklich in Feierlaune. So zum Beispiel Konstantin. Er war lange Zeit in der Nähe der Stadt Bachmut im Osten der Ukraine stationiert und schickt SRF News ein Foto von seinem Weihnachtsmenü. «Das Foto habe ich in einem zerstörten Haus aufgenommen. An diesem Ort versuchen wir zu Kräften zu kommen und uns aufwärmen.» sagt er zu SRF News.
Die traditionellen zwölf Gerichte zu Weihnachten haben Freiwillige gestern vorbeigebracht. Der Kommandant von Konstantin brachte jedem einen Löffel Kutja, eine süsse Getreidespeise, die in der Ukraine, Belarus und Russland traditionell zu Weihnachten gegessen wird.
«Auch wenn wir alle diese 12 Gerichte haben, wirklich in Stimmung um zu Feiern bin ich nicht,» erzählt Konstantin. Längst nicht alle haben an der Front jedoch ein Menü wie Konstantin. Ein Soldat einer Marinesonderbrigade schickt ein Video von einem Topf mit ein wenig Fleisch auf einem Holzofen und einer Tüte Croûtons auf dem Boden.
Kommentiert wird das Video vom Soldaten Igor aus dem Off mit einem Fluchwort auf Russisch. Die Marinesonderbrigade gehörte zu jenen Einheiten, die Mariupol bis zuletzt versuchten, zu verteidigen.
Kriegswünsche zu Weihnachten
Wie stark bei den Soldatinnen und Soldaten Feierlaune aufkommt, ist auch stark vom Standort des jeweiligen Regiments und den Umständen an der Front abhängig. Wo genau die Soldaten aktuell stationiert sind, wird aus Sicherheitsgründen nicht im Detail bekannt gegeben.
Pawel Agapow kommt entgegen seinem Kampfnamen «Blues» heute durchaus in Stimmung. Er feiert heute nicht nur orthodoxe Weihnachten, sondern gleich auch noch seinen Geburtstag.
Er versucht die Situation mit Humor zu nehmen: «Die Feiertage sind bei uns lustig. Der Feind erlaubt es uns nicht, uns zu entspannen. Aber wir erfüllen unsere Aufgaben über Neujahr und Weihnachten.» Pawel ist Teil einer mobilen Abwehrgruppe, die ein wichtiges Infrastrukturobjekt der ukrainischen Armee beschützt. So schreibt er SRF News weiter: «Das beste Geschenk zu meinem Geburtstag sind abgeschossene Luftobjekte des Feindes.»
In der Hauptstadt Kiew gab es für die orthodoxen Christen bereits heute ein Geschenk zu Weihnachten. Erstmals seit 338 Jahren wurde die Messe in der Kathedrale des Kiewer Höhlenklosters heute zur Geburt Christi auf Ukrainisch gehalten. Die Loslösung von der Russisch-Orthodoxen Kirche hat in der Ukraine seit Jahren ihren Lauf genommen und gipfelte drei Jahre vor dem Grossangriff Russlands in Gründung einer eigenen orthodoxen Nationalkirche.
Dessen Oberhaupt hielt heute nun die Messe in der Kathedrale des Klosters, das seit Jahrhunderten dem Ableger der russisch-orthodoxen Kirche unterstellt war. Dort wurden heute vom ukrainischen Kirchenoberhaupt auch Kämpfer der lokalen Bürgerwehr ausgezeichnet. Auch dies ein Bruch mit mehreren Traditionen.