Jede Entscheidung hat ihre symbolische Bedeutung. Das dänische Parlament hat mit grosser Mehrheit für einen Beitritt zur Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) gestimmt. Dänemark war das einzige EU-Land, das dieser 2004 gegründeten Koordinierungsstelle für Verteidigungszusammenarbeit nicht angehörte.
Zudem will Dänemark künftig an der Kooperationsplattform Pesco teilnehmen, über die gemeinsame Militärprojekte von EU-Staaten organisiert werden.
Gleichentags geben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs grünes Licht für ein Aufrüstungsprogramm, bei welchem die Europäische Verteidigungsagentur eine zentrale Rolle spielen wird. Die EU-Staaten versprechen, gemeinsam eine Million Granaten im kommenden Jahr zu beschaffen, um diese anschliessend an die Ukraine weiterzuleiten.
Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, hatte vor einem Monat ein solches Munitionsbeschaffungs-Programm eingefordert und stiess bei einer grossen Mehrheit der EU-Staaten auf offene Ohren. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski richtet bei jeder Gelegenheit diese Forderung an alle EU-Staaten. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die EU-Staaten so rasch und so konsequent diesem Anliegen entsprechen.
Die EU rüstet auf
Gewiss, die gemeinsame Beschaffung von Gesichtsmasken, Beatmungsgeräten und Impfstoffen konnte als Vorbild dienen, dass gruppiertes Einkaufen in der EU von Vorteil sein kann. Aber in Sicherheits- und Verteidigungsfragen tun sich die EU-Staaten in der Regel wesentlich schwerer. Wer wie viel Munition in seinen Beständen hat, ist ein gut gehütetes Staatsgeheimnis, das keiner zu teilen gewillt ist.
Nun legt die EU aber ein Aufrüstungsprogramm auf, das die bisher auf Friedenszeiten ausgelegten Produktionsprozesse umkrempelt. Erstens vergütet die EU jene Mitgliedstaaten mit insgesamt einer Milliarde Euro, die so schnell wie möglich aus ihren Beständen Munition in die Ukraine liefern. Gleichzeitig wird für eine weitere Milliarde Euro neue Munition bei europäischen Waffenfabriken bestellt. Die Koordination übernimmt die Verteidigungsagentur. 18 EU-Staaten wollen sich auf diese Weise absprechen und gemeinsam einkaufen.
Drittens unterstützt die EU-Kommission rund ein gutes Dutzend Waffenfabriken in Europa, die Produktionskapazitäten schnell und nachhaltig zu erhöhen. Der für die Industriepolitik zuständige EU-Kommissar reist wie zu Pandemiezeiten aktuell quer durch Europa, identifiziert Engpässe in den Lieferketten und koordiniert die Beschaffung von Rohstoffen für die Produktion.
Schritte mit Symbolkraft
Politisch ist also in der EU in Sachen Aufrüstung in kurzer Zeit einiges in Bewegung gekommen, das vor ein paar Monaten noch undenkbar war.
Der Realität ist bekanntlich komplexer. Es werden erste Stimmen laut, die warnen, dass politischer Wille wenig hilft, wenn es darum geht, komplexe Beschaffungsprozesse und Produktionsstätten auf einen maximalen Output umzupolen. Schliesslich sahen sich dieselben Rüstungskonzerne bis vor kurzen mit sinkenden Bestellungen konfrontiert.
Dennoch ist das Tempo, das die EU anschlägt, erstaunlich und der Wille, in Verteidigungsfragen mehr gemeinschaftlich zu koordinieren, ist ebenso bemerkenswert. Das dänische Parlament hat festgestellt, dass es besser ist, auf diesen fahrenden Zug aufzuspringen, als abseits zu stehen. Die EU macht heute zwei grosse Schritte mit grosser Symbolkraft.