Während des Fastenmonats Ramadan haben in Jemen die Waffen geschwiegen. Das gab den Menschen etwas Ruhe, und Hilfsorganisationen konnten sie besser erreichen. Doch kann das Land, in dem laut UNO die grösste humanitäre Katastrophe der Welt stattfindet, nun auf Frieden hoffen? Mareike Transfeld vom Yemen Policy Center sieht einen Hoffnungsschimmer.
SRF News: Der Ramadan ist zu Ende, die Waffenruhe soll noch einen Monat weitergehen. Wie gross sind die Chancen, dass das gelingt?
Mareike Transfeld: Es gibt einige Punkte, die dafür sprechen oder die einen zumindest optimistisch gestimmt sein lassen, dass diese Waffenruhe weiter anhalten könnte. Insbesondere, da die Konfliktparteien über vertrauensbildende Massnahmen sprechen. Aber es gibt genauso auch Faktoren, die dagegen sprechen. Und damit könnte es auch möglich sein, dass zum Ende dieser Waffenruhe die Gewalt wieder beginnt.
In Jemen kämpfen seit sieben Jahren die Regierungstruppen mithilfe Saudi-Arabiens gegen die Huthi-Rebellen, die von Iran unterstützt werden. Was wurde während dieser Waffenruhe erreicht?
Dank der Waffenruhe konnte ein Öltanker im Hafen von al-Hudaida andocken und damit ermöglichen, dass Öl in das Gebiet der Huthis geliefert wird, was dringend nötig ist. Es wird auch über die Öffnung des Flughafens in Sanaa gesprochen, der schon seit Jahren für kommerzielle Flüge geschlossen ist. Die Öffnung ist eine Forderung der Huthis. Zudem wurden auf beiden Seiten Gefangene freigelassen, und der UNO-Sondergesandte ist nach Sanaa gereist, um mit den Huthis zu reden.
Offiziell wird dieser Waffenstillstand also als Erfolg gesehen, es gibt immerhin Gespräche. Was braucht es für einen dauerhaften Frieden?
Es braucht mehr vertrauensbildende Massnahmen. Insbesondere müssen die Huthis signalisieren, dass sie ernste Bereitschaft haben, an Gesprächen teilzunehmen und die Ergebnisse dieser Gespräche auch umzusetzen. Dazu ist es auch wichtig, dass die Huthis durch diese Gespräche mehr gewinnen können als auf dem militärischen Weg.
Es braucht einen wirtschaftlichen Wiederaufbau, der es den Menschen erlaubt, von der humanitären Hilfe wegzukommen und wieder arbeiten zu gehen.
Derzeit kommen die grösseren Signale von der saudischen Seite und der Seite der international anerkannten Regierung. Ausserdem wäre es wichtig, dass politische und staatliche Institutionen funktionieren, um die Ergebnisse der Verhandlungen auch wirklich umsetzen zu können.
Wie stehen die Chancen, dass es in Jemen tatsächlich Frieden gibt?
Derzeit befinden wir uns in einer Vorphase von Verhandlungen. Wenn wir diese erfolgreich bestehen, könnte es sein, dass es zu Friedensverhandlungen kommt. Saudi-Arabien hat schon signalisiert, dass Interesse besteht. Es gibt auch klare Schritte auf Seiten der jemenitischen Regierung: Die Gründung eines neuen Präsidialrates, der signalisiert hat, dass der militärische Weg nicht erfolgreich war. Das zeigt, dass diese Seite einen neuen Weg einschlagen will. Darauf lässt sich aufbauen, selbst wenn die Waffenruhe nun gebrochen werden sollte.
Glauben Sie, dass Jemen auf einen anderen Pfad einbiegen kann?
Wir sind noch nicht an einem Punkt, an dem wir sehr bald Frieden sehen werden. Es gibt noch vieles, das die Konfliktparteien besprechen müssen. Und selbst wenn es zu einer Übereinkunft zwischen den Huthis und den Saudis und der Regierung kommt, gibt es noch viele Probleme, die angegangen werden müssen. Es gibt zum Beispiel viele nicht-staatliche bewaffnete Gruppen, die Gewalt ausüben. Aber wir sind nun in einer neuen Phase, und die lässt auf jeden Fall optimistisch stimmen.
Das Gespräch führte Sandro Della Torre.