Erleichterung bei den UN-Beauftragten in Genf. Endlich kann der Sitz der Vereinten Nationen in der Schweiz wieder einen Verhandlungserfolg verbuchen – und dies im bald nun schon zehn Jahre andauernden Konflikt zwischen tief zerstrittenen Bürgerkriegsparteien.
Denn nach dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi wurde Libyen faktisch aufgeteilt zwischen der von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannten Regierung in Tripolis unter Ministerpräsidenten Fayez al-Serraj und dem Chef der libyschen «Nationalarmee», General Khalifa Haftar in Bengasi und Tobruk.
Das Erdölgeschäft und seine Folgen
Die Einigung in Genf ist aber nicht nur am Verhandlungstisch entstanden. Nachdem im Januar dieses Jahres in Folge der Kriegshandlungen General Haftar die zentralen Ölförderungsanlagen im Süden des Landes quasi lahmgelegt hatte, schlitterte Libyen bei allem Leid für die zivile Bevölkerung auch noch in den finanziellen Ruin. Denn bislang verteilte die nationale Ölgesellschaft NOC ungeachtet aller Differenzen die Erlöse aus dem Erdölgeschäft weiterhin zwischen allen Bürgerkriegsparteien.
Um die Rohstoffe des Landes aber wieder zu nutzen, musste ein Waffenstillstand her. Davon war man mittlerweile auch in Ankara, Moskau und Kairo überzeugt – in jenen Ländern, die mit Geld, Kriegsmaterial und Söldnern in Libyen längst einen Stellvertreterkrieg angezettelt hatten.
Einfluss aus dem Ausland
Gut informierte Quellen in Italien sprechen deshalb von der entscheidenden Mission des libyschen Vize-Premiers Ahmed Maitik. Dieser hatte noch im September sowohl die Türken als Partner der Regierung in Tripolis als auch Russen und Ägypter als Unterstützer von General Haftar überzeugen können, dass nur durch die Wiederaufnahme der Erdölproduktion das Land irgendeine Zukunft hat. Maitik soll nun ein Komitee leiten, das alle Bürgerkriegsparteien einschliesst und welches die Einkünfte aus der angepeilten Fördermenge von täglich 1.2 Millionen Barrel wieder verteilen soll.
Claudio Bertolotti vom schweizerisch-italienischen Analystenteam «Start Insight» mit Sitz in Lugano äussert sich vorsichtig optimistisch: «Wenn Tripolis und Tobruk jetzt mit dem Waffenstillstand auch neue Schlüsselfiguren als Entscheidungsträger etablieren, dann könnte das Land sich langfristig wieder Richtung Frieden bewegen. Doch das hängt auch von den internationalen Playern ab.»
Denn weder die Türkei noch Russland oder Ägypten und auch nicht die arabischen Golfstaaten wollen sich aus Libyen zurückziehen. Zulange nutzen sie das nordafrikanische Land als Vorhof ihrer Machtspiele – zum Schaden Europas, das seine diplomatische Rolle immer mehr eingebüsst hat. Allen voran Italien kann jetzt nur hoffen, dass durch den Waffenstillstand auch die Fluchtroute von Nordafrika übers Mittelmeer durch mehr Frieden und Wohlstand in Libyen besser kontrolliert wird.