Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat alle überrascht, als er die Präsidentschafts- und Parlaments-Wahlen auf den 24. Juni vorgezogen hat. Denn eigentlich hätten sie erst in anderthalb Jahren stattfinden sollen.
Ob es Erdogan bereits im ersten Wahlgang schaffen wird, ist nicht sicher, denn mitentscheidend sind auch die mehr als drei Millionen Auslandtürken. Sie stellen fünf Prozent aller Wähler. Mit 1,4 Millionen Stimmberechtigten leben die meisten von ihnen in Deutschland. In der Schweiz sind es rund 95'000. Insgesamt kann in 60 Ländern ausserhalb der Türkei abgestimmt werden.
Urnen offen in Deutschland, Österreich und Frankreich
Nach türkischem Gesetz ist eine Briefwahl nicht erlaubt. Wie in Deutschland begannen die türkischen Wahlen in Österreich und Frankreich ebenfalls heute Donnerstag, in der Schweiz ein paar Tage später. Bis zum 19. Juni können die türkischen Stimmberechtigten wählen. Anschliessend werden die Urnen in die Türkei gebracht und dort ausgezählt.
In den türkischen Konsulaten in Deutschland herrschte reges Treiben. «Am Wochenende werden wir sicherlich noch mehr Zulauf haben», sagte Generalkonsul Ceyhun Erciyes in Köln/Hürth. Er rechne mit einer Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent im Einzugsbereich mit rund 130’000 registrierten Wahlberechtigten.
In Hamburg wurde zunächst nur ein mässiger Zulauf an Wählern verzeichnet. Der Sprecher der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP in Hamburg, Hüseyin Kayaturan, warf der türkischen Regierung vor, auf in Hamburg lebende Oppositionelle Druck auszuüben und sie an der Wahl zu hindern.
In Köln sagte eine Wählerin, sie habe für die islamisch-konservative AKP und Präsident Erdogan gestimmt, weil unter ihm wirtschaftlich und kulturell vieles vorangekommen sei in der Türkei.
Eine kurdischstämmige Frau gab an, sie habe die oppositionelle HDP gewählt. Sie wolle eine Demokratie wie in Deutschland, aber mit Erdogan wandle sich die Türkei in eine Diktatur.
Absolute Mehrheit für Erdogan nicht sicher
Erdogan strebt eine Wiederwahl an. Umfragen deuten darauf hin, dass er am 24. Juni eine absolute Mehrheit verfehlen könnte. Sollte es zu einer Stichwahl kommen, wird diese in Deutschland vom 30. Juni bis 4. Juli stattfinden. In der Türkei würde eine zweite Wahlrunde am 8. Juli die Entscheidung bringen.
Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, erwartet einen knappen Wahlausgang. In der Türkei, aber auch in der türkischen Diaspora in Deutschland, gebe es eine Wechselstimmung gegen Erdogan, sagte er dem SWR.
Bei einem Wahlkampfauftritt hatte Erdogan am Mittwoch um massenhafte Unterstützung aus dem Ausland geworben: «Bringt auch in Europa mit Gottes Hilfe die Urnen zum Platzen.»