Die liberale Bürgeranwältin Zuzana Caputova hat die Präsidentenwahl in der Slowakei klar gewonnen. Damit steht in der Slowakei erstmals eine Frau an der Staatsspitze. Sie vertritt eine pro-europäische Linie.
Nach dem am Sonntagmittag veröffentlichten offiziellen Endergebnis erreichte die 45-Jährige im entscheidenden zweiten Wahlgang 58,4 Prozent der Stimmen.
Geschieden und alleinerziehend
Ihr Gegner in der Stichwahl, der von den regierenden Sozialdemokraten nominierte EU-Kommissar Maros Sefcovic, kam auf 41,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 41,8 Prozent niedriger als beim ersten Durchgang Mitte März, als sie knapp 49 Prozent erreichte.
Zuzana Caputova ist geschieden. Sie ist alleinerziehend. Sie will Homosexuellen die Adoption von Kindern erlauben. Unter normalen Umständen hätte jemand wie sie in der katholisch geprägten Slowakei kaum eine Chance, Präsidentin zu werden.
Nach Doppelmord ging ein Ruck durch das Land
Sie ist erst vorletztes Jahr in die Politik eingestiegen, war bis vor wenigen Wochen nur wenigen Umweltschützern ein Begriff. Ihr Gegner hingegen war slowakischer EU-Kommissar, ein Mann, der über Parteigrenzen hinweg respektiert wird. All das hätte einen Erfolg Caputovas unter normalen Umständen noch unwahrscheinlicher gemacht.
Doch die Umstände in der Slowakei sind nicht normal seit vor gut einem Jahr der 27-jährige Journalist Jan Kuciak und seine Verlobte ermordet wurden – wohl im Auftrag eines Geschäftsmannes mit guten Verbindungen zur Regierung.
Nach diesem Doppelmord ging ein Ruck durch das Land. Zehntausende gingen auf die Strasse für ein anständigeres Land, für ein Land, das nicht mehr dominiert wird von einem Filz von Politikern und reichen Geschäftsleuten. Regierungschef Robert Fico musste zurücktreten.
Seine Wendigkeit stösst viele ab
Und nun ist die 45-jährige Zuzana Caputova zur Hoffnungsträgerin all jener geworden, denen das nicht reicht, die einen grundlegenderen Wandel wollen. Als Umweltanwältin hat sie in ihrer Heimatstadt eine riesige Mülldeponie verhindert. Als Präsidentschaftskandidatin blieb sie sachlich und anständig – sogar als ein Bischof verkündete, sie zu wählen, sei Sünde.
Ihr Gegner hingegen liess sich zu Verschwörungstheorien hinreissen, versuchte sich kirchentreuer zu zeigen als er ist, liess sich von der diskreditierten Regierungspartei unterstützen und versuchte zugleich, sich von ihr zu distanzieren. Eine Wendigkeit, die unter normalen Umständen nicht auffallen würde in der slowakischen Politik, die heute aber viele abstösst.
Mit Anstand und Geradlinigkeit zum Ziel?
Als neue Staatspräsidentin hat Zuzana Caputova wenig realpolitische Kompetenzen. Aber sie kann – wie ihr Vorgänger – eine wichtige Leitfigur werden in der slowakischen Politik.
Als solche muss sie allerdings auch jenen Viertel der Wählenden ansprechen, der sich in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen für einen rechtspopulistischen oder sogar einen rechtsextremen Kandidaten entschieden haben. Kein Leichtes Vorhaben für eine liberale Politikerin wie sie.
Und erst in einem Jahr wird sich zeigen, ob sich in der Slowakei mit Anstand und Geradlinigkeit auch die mächtigsten Positionen im Staat erobern lassen. Dann wählt die Slowakei nämlich ein neues Parlament und damit eine neue Regierung.