Die Nervosität steht Wolodymyr Selenski ins Gesicht geschrieben, als der Präsidentschaftskandidat sein Expertenteam am Donnerstagabend im Fernsehen präsentiert.
Der Entertainer wird die ukrainische Präsidentschaftswahl laut Umfragen mit grossem Vorsprung auf Amtsinhaber Petro Poroschenko gewinnen. Doch Selenski hat keine politische Amtserfahrung. Die Rolle des Präsidenten hat er bisher nur in einer TV-Serie gespielt.
Ein Programm mit Widersprüchen
Mit seinem TV-Auftritt reagierte Selenski auf den Druck der Öffentlichkeit Klarheit zu schaffen, für welche Politik er als zukünftiger Präsident einstehen möchte. In seinem Programm hatte Selenski angekündigt direktdemokratische Instrumente, ähnlich der Schweiz einführen zu wollen.
Sein Berater Dmitri Rasumkow schwärmte von dieser Idee. «In der ukrainischen Verfassung gibt es diesen einen grossartigen Satz, dass die Macht in der Ukraine in den Händen des Volkes liegt. Wir arbeiten an einem Gesetzestext, um aus diesem Satz Realität werden zu lassen.»
Wie dies langfristig mit einem möglichen EU-Beitritt des Land zu vereinen wäre, konnte der Berater jedoch nicht abschliessend erklären. Der Eindruck das Programm des Kandidaten Selenski sei nicht durchdacht, lässt sich auch wenige Tage vor der Wahl nicht aus der Welt schaffen.
Anwalt des Oligarchen
Während des Wahlkampfes war Selenski von einer ganzen Reihe von Experten umgeben. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, der Anwalt des umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomoiski sei im Team des Kandidaten.
Auf Nachfrage beteuerte der Sprecher Rasumkow: «Der Anwalt Andrei Bogdan ist ein langjähriger Freund und Geschäftspartner von Wolodymyr Selenski.» Damit sagte der Berater jedoch nicht die ganze Wahrheit.
Wie ukrainische Journalisten kurz darauf enthüllten, übernimmt der Anwalt des Oligarchen eine zentrale Rolle im Wahlkampf von Selenski.
Fehlende Transparenz
Die Journalistin Natalie Sledetska schildert ein düsteres Bild. «Unsere Quellen haben bestätigt, dass Andrei Bogdan die graue Eminenz im Wahlkampfteam ist. Er entscheidet über sehr viel Fragen.»
Für die Journalistin ist klar, dass sich die Wähler von Kandidat Selenski blenden lassen. «Leider ignoriert die Bevölkerung, dass Selenski viele Fragen unbeantwortet lässt. Eine Mehrheit wird trotz der Warnsignale für ihn stimmen.»
Aus Sicht von Natalie Sledetska hat es der Kandidat Selenski geschafft die Wähler davon zu überzeugen, er sei die Verkörperung des Präsidenten aus der TV-Serie.
Doch anders als der Präsident aus der TV-Serie, der Oligarchen nicht ausstehen kann, steht Wolodymyr Selenski im echten Leben einem Oligarchen näher, als er Preis gibt.
Dafür sprechen auch die regelmässigen Besuche bei Ihor Kolomoiski in der Schweiz. Bis vor kurzem lebte der Oligarch am Genfersee. Erst kürzlich hat er angekündigt, zurück in die Ukraine zu ziehen, sollte Selenski gewählt werden.