- Bei der vierten Parlamentswahl in Israel binnen zwei Jahren ist der rechtskonservative Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Prognosen zufolge stärkste Kraft geworden.
- Die Partei errang 31 bis 33 Mandate in der 120 Sitze zählenden Knesset, wie aus den Prognosen der TV-Sender hervorging.
- Dennoch zeichnet sich nach jüngsten Prognosen immer stärker eine Patt-Situation ab. Die beiden Lager sind wie nach den vorherigen Wahlen nahezu gleich gross.
Die ersten Prognosen von drei grossen TV-Sendern hatten zunächst darauf hingedeutet, dass Netanjahu eine Chance auf Verbleib im Amt haben könnte. Trotz leichtem Minus des Likud im Vergleich zur Wahl vor einem Jahr.
Einige Stunden später zeigte sich ein weniger einheitliches Bild. Kanal 11 sah das Netanjahu-Lager weiter knapp vorne, Kanal 12 tendierte zu leichten Vorteilen für die Gegner. Und Kanal 13 sah beide Seiten bei 60 Sitzen.
Netanjahu braucht Jamina-Partei
Coronabedingt könnte es noch bis zum Wochenende dauern, bis das vorläufige Endergebnis vorliegt. Dieses könnte andere Zahlen zeigen. So beginnt die Auszählung der Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen und Corona-Kranken erst Mittwochabend.
Und selbst wenn Netanjahu dann doch eine Mehrheit hinter sich bringt: Ob er eine Regierung bilden kann, hängt davon ab, ob sich die siedlerfreundliche Jamina-Partei auf seine Seite schlägt.
Deren Vorsitzender Naftali Bennett war zwar mit dem Ziel in den Wahlkampf gegangen, Netanjahu abzulösen. Er hat allerdings auch nicht ausgeschlossen, in eine Koalition mit diesem einzutreten.
Mit Jamina könnte der Netanjahu-Block, je nach Prognose, eine sehr knappe Mehrheit von 61 von 120 Abgeordneten erreichen. Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt.
Geringe Wahlbeteiligung
Hinter dem Likud erreichte die Zukunftspartei von Oppositionsführer Jair Lapid Platz zwei (16 bis 18 Mandate). Der dritte Platz ist noch unklar. Die Prognosen sehen dort entweder die strengreligiöse Schas-Partei oder das arabische Parteienbündnis.
Israel befindet sich seit mehr als zwei Jahren in einer politischen Dauerkrise. Nach zwei Wahlen 2019 war es Netanjahu nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Nach der Wahl 2020 hatten er und sein Likud unter dem Eindruck der Corona-Krise eine Koalition mit dem Mitte-Bündnis Blau-Weiss gebildet, sie zerbrach jedoch im Dezember an einem Haushaltsstreit.
Die Wahlmüdigkeit der Israelis machte sich bemerkbar. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 67,2 Prozent. Niedriger lag sie zuletzt 2009.
Corona-Krise im Zentrum
Vorläufige Endergebnisse erwartete das Wahlkomitee nicht vor Freitag. Wegen der Corona-Krise galten besondere Sicherheitsregeln, in Israel gibt es keine Briefwahl. So stimmten Infizierte in speziellen Wahllokalen ab, die etwa in Bussen errichtet wurden.
Sogar am Flughafen Ben Gurion konnten Einreisende wählen. Insgesamt waren rund 6.6 Millionen Menschen aufgerufen, die Mitglieder der 24. Knesset in Jerusalem zu bestimmen.
Das bestimmende Thema des Wahlkampfes war vor allem die Corona-Krise. Netanjahu wollte vor allem mit der rasanten Impfkampagne in dem Land punkten. Viele zeigten sich zuletzt jedoch unzufrieden mit dessen Pandemie-Management. Netanjahu steht auch wegen eines gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses unter Druck.