Ihr sei nicht bewusst gewesen, welch gravierende Folgen das Ganze haben werde, sagt Adrijana Cvrtila. «Ich war etwas naiv.» Cvrtila lebt in der Kleinstadt Kutina. Dort arbeitete sie im Unternehmen, das für die lokale Müllverarbeitung zuständig ist und der Gemeinde gehört. Am Ende war sie die Geschäftsführerin der Firma.
In dieser Position wurde von ihr immer wieder verlangt, gewisse Leute, die Verbindungen in die lokale Politik haben, im Unternehmen zu belassen oder einzustellen. Verlangt wurde dies vom Bürgermeister und einzelnen Mitgliedern des Gemeinderates.
Allesamt waren damals Teil der Regierungspartei HDZ oder deren Koalitionspartner, der liberalen HSLS, der Cvrtila damals ebenfalls angehörte. Zu Beginn habe sie sich an die Anweisungen gehalten. Doch mit der Zeit habe der Druck stetig zugenommen. Irgendwann entschied sie sich, die Missstände öffentlich zu machen.
Die Korruptionsaffäre verändert ihr Leben
Was danach folgte, prägt die Frau bis heute. Adrijana Cvrtila verlor ihre Arbeitsstelle. Die vier beschuldigten Personen aus der Politik wurden verhaftet, darunter auch der Bürgermeister. Doch während sie bis heute keine Arbeit hat, wurden die vier verhafteten Personen nach kurzer Zeit wieder freigelassen. «Für sie gab es keine wirklichen Konsequenzen».
Der Bürgermeister ist immer noch im Amt, wurde allerdings aus seiner Partei ausgeschlossen. Vor Gericht hat er Rekurs eingelegt: Die von Cvrtila als Beweis genutzte Tonaufnahme sei illegal. Die nächste Instanz verschleppt bislang das Urteil. Cvrtila dagegen sah sich gleich mit neun Klagen wegen Verleumdung konfrontiert. Dank der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern wurde sie aber freigesprochen.
Typischer Fall in Kroatien
Dieser Fall und die Reaktion der Politik seien typisch für die grassierende Korruption im Land, sagt der Investigativjournalist Andrej Dimitrijevic: «Es ist eine Epidemie». Die Regierungspartei sichere sich so Stimmen im Tausch gegen lukrative Arbeitsstellen in öffentlichen Unternehmen.
Dimitrijevic deckt durch seine Arbeit immer wieder spektakuläre Korruptionsfälle auf. Manche reichen bis in die Regierung.
System der Korruption
Die Regierungspartei HDZ dominiert die Politik Kroatiens seit der Unabhängigkeit. In dieser Zeit hat sie sich, so Andrej Dimitrijevic, ein regelrechtes System aufgebaut. Das Schlimmste sei aber, dass sich die Leute daran gewöhnt hätten. Er glaube daher nicht, dass sich mit einem Machtwechsel gross etwas ändern würde.
Auch Adrijana Cvrtila glaubt nicht an die Versprechen der Opposition. Wegen ihrer Erfahrungen glaube sie nicht, dass die Politik das Korruptionsproblem wirklich lösen wolle. Cvrtila will jedenfalls weiterkämpfen – einerseits vor Gericht, aber auch in ihrer Organisation zum Schutz von Whistleblowern, die sie vor zwei Jahren gegründet hat.