Die Wahlen vom Sonntag könnte den endgültigen Niedergang einer autokratischen Partei bedeuten, die Mexiko jahrzehntelang beherrschte. Die PRI, Partei der institutionalisierten Revolution, muss aller Wahrscheinlichkeit nach zum zweiten Mal den Präsidentenpalast räumen. Nur wäre damit das Ende der Autokratie noch nicht besiegelt.
PRI – die «perfekte Diktatur»
71 Jahre lang seit der mexikanischen Revolution war die PRI quasi Staatspartei. Als die «perfekte Diktatur» wurde das System bekannt, indem der Präsident per Fingerzeig seinen Nachfolger bestimmte. Alle sechs Jahre kam so eine neue Vetternwirtschaftsclique an die Pfründe. Die Basis wurde mit kleinen Geschenken ruhiggestellt.
Bis im Jahr 2000 die konservative PAN (Partido Acción Nacional) die zunehmend unzufriedenen Wähler einsammelte und gewann. 2006 gleich noch einmal. Allerdings bekämpfte auch ihre Regierung nicht die Armut und veränderte nicht die klaffende Ungleichheit zwischen riesiger Armut und extremem Reichtum. Sie erklärte dem organisierten Verbrechen der Drogenkartelle den Krieg und die Gewalt explodierte. Es kommt zu einem Kugelhagel zwischen einer Bande und Polizisten, wobei nie klar ist, auf welcher Seite die Sicherheitsbeamten stehen.
Die PRI mit Nieto im freien Fall
2012 eroberte die PRI das Präsidentenamt noch einmal zurück. Enrique Peña Nieto konnte auch zunächst dringende Reformen im Energie- und Bildungsbereich anschieben. Aber dann versank seine Regierungszeit in ausufernder Gewalt und Korruption. Zurzeit werden im Durchschnitt 90 Mexikaner pro Tag ermordet.
Der Präsident und seine Gattin waren in einen Korruptionsfall verwickelt. 17 Ex-Gouverneure der letzten Jahre meist von der PRI sitzen im Gefängnis, sind untergetaucht oder es wird gegen sie ermittelt. Um trotzdem einen unbelasteten Präsidentschaftskandidaten 2018 präsentieren zu können, musste die PRI ausserhalb der Partei suchen und fand den parteilosen José Antonio Meade.
Meade, ein Parteiloser mit Vergangenheit
Obwohl Meade für die Regierungspartei antritt und schon bisher im Kabinett sass, verspricht er die Wende. Die PRI biete jedem Kandidaten wieder andere Möglichkeiten: «Diesmal bin ich das, ein Bürgerlicher, ein Parteiloser», betont Meade und kritisiert unter anderen, dass die bisherige Strategie zur Sicherheit nicht funktioniert habe: «Die Kriminalität hat das Land eindeutig überholt. Straflosigkeit ist das grösste Problem. Es passiert nichts, wenn jemand das Gesetz bricht.» Tatsächlich werden in Mexiko weniger als zwei Prozent der Verbrechen bestraft.
Meade erscheint als Mehrzweckwaffe in vielfacher Hinsicht: Er war bereits Minister für Energie und Finanzen im konservativen Kabinett der PAN. Gleich danach wurde er Aussenminister, Sozialminister und nochmals Finanzminister für die PRI.
Personen sind wichtiger als Programme
Was nicht bedeutet, dass er mit dem Parteiwechsel politische Überzeugungen ändern musste. Denn diese spielten eine untergeordnete Rolle, erklärt Birgit Lamm, Leiterin des Mexiko-Büros der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung in Lateinamerika.
«In Mexiko sind Parteien vor allem personenorientiert. Auf diese Personen konzentriert sich im Prinzip auch die Loyalität, während Parteiprogramme eine geringere Rolle spielen. Programme wechseln schnell und Programmparteien im herkömmlichen Sinn wie etwa in Zentraleuropa gibt es nicht. Es geht also mehr darum, Machtinteressen abzustecken, als ein vorher demokratisch entschiedenes Parteiprogramm umzusetzen.»
«Politischer Karneval» zermürbt die Menschen
Parteien sind Machtzirkel und programmatisch kaum voneinander zu unterscheiden. Einen «politischen Karneval» nennt das der Schriftsteller Juan Villoro. Ratlos macht das viele Wähler wie die Tortilla-Bäckerin Dolores Rodriguez: «Ich weiss, dass wählen wichtig ist. Aber wen? Ich könnte jeden oder gar keinen wählen, egal. Die wollen doch aller nur unsere Stimme, um an die Macht zu kommen. Wenn sie dran sind, vergessen sie uns.»
Alle seien doch gleich korrupt, egoistisch und unfähig. Das ist die weitverbreitete Meinung in der mexikanischen Wählerschaft. Nur die regierende PRI sei noch korrupter und unfähiger.
Präsident Nieto hat die historisch niedrigsten Zustimmungswerte. Sie liegen im einstelligen Bereich. Diesen Ballast kann auch der parteilose Kandidat Meade nicht abschütteln. Er konnte sich zwar hocharbeiten, hat aber immer noch rund 30 Prozentpunkte Rückstand auf Andrés Manuel López Obrador.
Schafft es Obrador im dritten Anlauf?
Linkskandidat Obrador hat mit der Morena-Partei seinen eigenen Machtzirkel gegründet, nachdem er schon zwei Präsidentschaftswahlen verloren hatte. Hervorgekommen ist aber auch er aus der Staatspartei PRI und hat deren Machtstil übernommen. Deshalb wird bei den Wahlen am kommenden Sonntag die Autokratie auch mit der PRI im Abseits nicht beseitigt werden.