«Paz definitiva» – Frieden definitiv. Unter diesem Motto umarmten sich die beiden Präsidenten der Regierungspartei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) und der grössten Oppositionspartei Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) im August medienwirksam vor der Weltöffentlichkeit. Einmal mehr haben die beiden Parteien einen Friedensvertrag unterschrieben. Bereits zum dritten Mal. Die internationale Gemeinschaft feierte den Schritt als «historisch». Doch in Mosambik traut man dem Frieden nicht über den Weg.
«Wir haben viel gelitten. Unter der Regierung genauso wie unter den Renamo-Rebellen. Wir misstrauen diesem Friedensvertrag, denn die Renamo-Rebellen, die sind noch immer hier im Busch», erzählt Bauer Jéjo Joãquim Saize.
Seit der Konflikt zwischen der Regierung und der Renamo im Jahr 2013 wieder aufgeflammt ist, hat hier vor allem die Zivilbevölkerung gelitten. Hier, in dieses wunderschöne Gebiet rund um den Nationalpark Gorongosa im Zentrum von Mosambik, in das sich der bewaffnete Arm der Renamo zurückgezogen hatte.
Beide Konfliktparteien sind seit dem Wiederausbruch des Konflikts für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Personen verschwanden, wurden gefoltert und exekutiert.
Jéjo Joãquim Saizes Familie hat das selbst erlebt. «Regierungstruppen kamen ins Haus meines Vaters. Sie verprügelten ihn und brannten sein Haus nieder. Sie bezichtigten ihn mit der Renamo-Guerilla zusammenzuarbeiten. Aber das stimmt nicht. Mein Vater hatte Glück und konnte fliehen. Am selben Tag wurden zwei unserer Nachbarn getötet», so der junge Mann.
Wut auf Regierung
Niemand weiss, wie viele Personen in den letzten Jahren durch den Konflikt ums Leben gekommen sind, beklagt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Regierung arbeite die Fälle nicht auf. Doch das Misstrauen der Bevölkerung in den Staat und der Hass auf die seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regierende Partei Frelimo ist hier in der Gegend tief verankert. Gerade weil die Sicherheitskräfte oft willkürlich gegen die Zivilbevölkerung vorgingen.
Doch Bauer Jéjo Joãquim Saize fürchtet auch die Renamo-Guerilla. Seit dem Friedensvertrag vom August sogar noch mehr, so der 29-jährige Bauer. Denn die Renamo selbst ist nun gespalten. Das abtrünnige Lager akzeptiert das Friedensabkommen nicht, deren Anführer rief dazu auf, alle zu töten, die für die Wahlen von kommender Woche werben. Die Splittergruppe hat sich bereits zu mehreren Anschlägen bekannt.
Gewaltvolle Vergangenheit
Gewalt zieht sich durch Mosambiks gesamte Geschichte. Nicht umsonst ist das Land das einzige der Welt, auf dessen Nationalflagge ein Maschinengewehr thront. Zuerst der Unabhängigkeitskrieg, dann der Bürgerkrieg und der wieder aufflammende Konflikt zwischen den beiden Parteien.
Doch der Bürgerkrieg damals, der sei nötig gewesen, sagt ex-R-Kämpfer Inacio Faque Ferraria in der Hafenstadt Beira, 250 Kilometer von der Serra de Gorongosa entfernt: «Der Krieg hat sich gelohnt, weil die Frelimo nur so das Mehrparteiensystem akzeptierte, damals mit dem Friedensvertrag von 1992.». Damals hatte der 57-Jährige selbst mitgekämpft. 14 Jahre war er Teil der Renamo-Guerilla. 1992 hat er die Waffen abgegeben.
Und wie die Renamo offiziell zur politischen Partei wurde, wurde auch Ferraria Parteimitglied. Heute leitet er die Wahlkampagne der Renamo in dessen Hochburg Sofala. Doch als politische Partei hat es die Renamo nicht geschafft, die Vormachtstellung der Frelimo massgeblich einzuschränken.
Zwar hat Mosambik seit 1992 ein Mehrparteiensystem, aber seit vier Jahrzehnten ist in Mosambik der Staat die Frelimo und die Frelimo der Staat. Und gerade deswegen sei es wichtig den Druck auf die ewigregierende Frelimo aufrechtzuerhalten, glaubt Ferraria. Notfalls mit Waffen. «Die Waffen allein machen noch keinen Krieg. Sie sind einzig ein Instrument. Und der Krieg ist ja auch nichts anderes, als die Fortführung der Politik.» Damit vertritt der lokale Renamo-Sprecher natürlich nicht die offizielle Meinung der Partei. Doch es erklärt vielleicht, warum die im jüngsten Friedensvertrag abgemachte Frist, alle Waffen abzugeben, uneingelöst verstrich.
Ewigregierende Frelimo
Die über vier Jahrzehnte ununterbrochene Parteiherrschaft der ehemaligen Befreiungsbewegung Frelimo hat viele Mosambikanerinnen und Mosambikaner frustriert, wütend und ratlos zurückgelassen. So auch den Ex-Rebellen. «Wir wollen endlich Demokratie. Wir wollen, dass alle teilhaben können in diesem Land.»
Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt. Immer wieder hat die Frelimo-Regierung versprochen, dass sich das bald ändern werde. Besonders, seit vor Mosambiks Küste riesige Gasvorkommen entdeckt worden waren. Doch bis jetzt hat sich für die meisten Bewohner des Landes die Lage seit der Unabhängigkeit 1975 nicht verbessert. Beim Human Development Index liegt Mosambik auf Platz 180 von 189 Ländern. Kritik am Regime wird nicht geduldet. Mosambikanerinnen und Mosambikaner müssen in der Öffentlichkeit jedes Wort abwägen.
Gleichzeitig grassiert die Korruption im Land. Besonders deutlich wurde das mit dem grössten Kreditskandal der Geschichte des Landes, in den auch die Schweizer Bank Credit Suisse involviert ist. Dieses Gefühl nicht teilhaben zu können am Reichtum, während sich andere die Taschen vollstopfen, dürfte laut Experter auch massgeblich zur neuen Welle der Gewalt beitragen, welche Mosambik seit 2017 heimsucht (s. Textbox).
Was braucht Mosambik für den definitiven Frieden?
Der mosambikanische Philosoph Severino Ngeonha beschäftigt sich seit langem mit dieser Frage. «Das Grundproblem von Mosambik ist, dass wir trotz dieser gewaltvollen Geschichte nie einen Versöhnungsprozess hatten. Nicht wie andere afrikanische Länder, Ruanda oder Südafrika. Wir hatten nie einen nationalen Dialog, welcher es ermöglichen würde die Wunden zu heilen und wirklich darüber zu diskutieren, wie wir zusammenleben wollen», sagt er in seinem Büro in der Hauptstadt Maputo.
Dabei sei ein wichtiger Faktor, dass die Frelimo ihre Schuld am Konflikt nie eingestanden habe. Und somit wurde verhindert, dass über eine wirkliche Teilung der Macht, über eine echte Demokratie diskutiert wurde. Auch beim Friedensabkommen von August nicht. «Das führt dazu, dass wir junge Menschen haben, die wie die Renamo-Kämpfer im Busch ebenso wie die jungen Menschen im Norden, das Gefühl haben, dass ihre einzige Möglichkeit gehört zu werden, die Waffengewalt ist. Das ist besorgniserregend.»
Wahlen als Test für den Frieden
Mit morgigen Wahlen gibt die Politik den Mosambikanerinnen und Mosambikanern die Chance ihre Stimme an der Wahlurne zu erheben. Doch nur wenn der Wahlprozess glaubwürdig abläuft, und die Regierungspartei bereit ist einen Teil der Macht abzugeben, werden diejenigen, die sich seit mehr als vier Jahrzehnten ausgeschlossen fühlen, die Waffen für immer niederlegen.