Es ist der folgenreichste Kreditskandal in der Geschichte von Mosambik: Vor drei Jahren wurde bekannt, dass die Regierung illegale Kredite im Wert von zwei Milliarden Dollar aufgenommen hatte – ein Grossteil war von der Credit Suisse. Das Geld verschwand in den Taschen von Politikern und Bankern. Nach zwei Wirbelstürmen im letzten halben Jahr braucht Mosambik Geld, um das Land wieder aufzubauen und um die Not der Menschen zu lindern.
Flávio Silvestre ist sehr wütend: «Von diesem Geld – von diesen zwei Milliarden Dollar – hat das mosambikanische Volk gar nichts gehabt. Keine Schulen, keine Strassen. Es diente einzig unseren Politikern. Und wir müssen nun die Konsequenzen ausbaden.»
Der 31-Jährige weiss wovon er spricht. Als die internationale Gemeinschaft infolge des Kreditskandals Mosambik die Gelder strich, musste das Land die Zahlungsunfähigkeit erklären. Mosambik stürzte in eine bis heute andauernde Wirtschaftskrise.
Flávio Silvestre verlor seinen Job. Sein Unternehmen ist eines von fast 3000, das wegen der Wirtschaftskrise Konkurs ging. «Alles wurde extrem teuer. Das Benzin, das Essen, Reis, Öl, die Ausgaben für die Bildung meiner zwei Kinder.» Zwischenzeitlich stieg die Inflationsrate auf über 25 Prozent.
«Dívidas ocultas» – ein heikles Thema
Flávio Silvestre sitzt auf einem Spielplatz in Mosambiks Hauptstadt Maputo. Gemeinsam mit seinem Cousin, dem Sekundarlehrer Isildo Velez. Die beiden waren nur hier bereit über die «Dívidas ocultas» zu sprechen, die geheimen Schulden von Mosambik, wie hier der Kreditskandal und seine Folgen genannt werden.
Denn über die «Dívidas ocultas» zu sprechen, ist in Mosambik heikel. Vor allem für Staatsangestellte wie Lehrer Isildo Velez. «Viele meiner Lehrerkollegen arbeiten für den Geheimdienst. Wenn ich mich mit einer ausländischen Journalistin treffe, kann ich meinen Job verlieren. Oder versetzt werden. Unter dem Vorwurf, schlecht über den Staat gesprochen zu haben.»
Frelimo beherrscht das tägliche Leben
In Mosambik ist seit 44 Jahren dieselbe Partei an der Macht, die Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO). Bei den Wahlen nächste Woche will sie erneut gewinnen. Die Partei kontrolliert jegliche Information im Land, Mosambikanerinnen und Mosambikaner müssen in der Öffentlichkeit jedes Wort abwägen.
Als Staatsangestellter hat Isildo Velez gesehen, welche Konsequenzen die Budgetkürzungen im Bildungsbereich hatten. «Aber gehen Sie mal aus Maputo heraus. Das ist nochmals eine ganz andere Nummer», meint der Lehrer.
Die wahren Opfer leben ausserhalb der Hauptstadt
Zum Beispiel mehr als 1000 Kilometer entfernt, bei Rosa Maputere. Die schwangere 23-Jährige steht barfuss am Strassenrand und verkauft Holzkohle. Sie hat noch nie von Mosambiks Schulden gehört. Rosa Maputere kann nicht lesen und schreiben, wie fast die Hälfte aller Mosambikaner. Wenn im Bildungssektor weiterhin gespart wird, dann wird es ihrem noch ungeborenen Kind nicht anders gehen.
Vor einem halben Jahr fegten zwei Zyklone über Mosambik. Wie Hunderttausende andere Mosambikaner verlor auch Rosa Maputere ihr Haus, alles was sie besass und ihre Ernte. Der Staat hat kein Geld, um sie zu unterstützen. Und wenn Rosa Maputere krank ist? «Uh, das Spital ist sehr weit weg. Wir müssen auf ein Fahrrad-Taxi warten. Manchmal bis zu sieben Stunden.»